Australian Open Williams erlebt ein absurdes Drama

Melbourne · Die Hoffnungen auf den 24. Grand-Slam-Titel sind geplatzt. Die US-Amerikanerin scheitert trotz haushoher Führung.

 Serena Williams kann nicht fassen, was ihr in diesem Moment in der Rod-Laver-Arena von Melbourne widerfährt. Die Zuschauer erleben ein historisches Drama mit der US-Amerikanerin als Verliererin.

Serena Williams kann nicht fassen, was ihr in diesem Moment in der Rod-Laver-Arena von Melbourne widerfährt. Die Zuschauer erleben ein historisches Drama mit der US-Amerikanerin als Verliererin.

Foto: AP/Mark Schiefelbein

Man hätte sich an diesem Australian-Open-Mittwoch ein kleines Vermögen verdienen können. Man hätte allerdings auch komplett verrückt sein müssen, bei einer 5:1- und 40:30-Führung von Serena Williams im dritten, alles entscheidenden Satz gegen Karolina Pliskova auf eine Niederlage von Williams zu setzen. Doch es passierte genau dies, das Unmögliche, Unfassbare, der große, absurde, urplötzliche Dreh eines denkwürdigen Viertelfinal-Thrillers in der Rod-Laver-Arena. Und damit das Aus von Williams’ Hoffnungen auf den 24. Grand-Slam-Titel, mit dem sie zu Rekordhalterin Margaret Court hätte aufschließen können.

Williams, die prägende Figur dieser Ära, verließ am Mittwoch als grimmige 4:6, 6:4, 5:7-Verliererin den Platz. Es war großes, dramatisches Tennis-Kino auch mit vier vergebenen Matchbällen der polarisierenden US-Amerikanerin. „Warum ich jetzt ausgeschieden bin, weiß ich auch nicht so genau“, sagte die bitter enttäuschte Titel-Aspirantin später: „Es wird dauern, über dieses Match, über diese Niederlage hinwegzukommen.“

Ein neuerlicher Black-Out der Ausnahmespielerin allerdings blieb aus an Tag 9 der Ausscheidungsspiele von Melbourne, ein Eklat oder Skandal – obwohl ein solcher Zorn- und Wutausbruch durchaus nahe lag. Denn bevor sich dieses Match noch einmal sensationell wendete, hatte Williams bei jener 5:1- und 40:30-Führung nicht nur Matchball, sondern auch ein Ass ins Feld der baumlangen Tschechin Pliskova platziert. Es war eigentlich alles vorbei, Williams schien ins Halbfinale eingezogen, doch in der nächsten Sekunde erscholl der „Fußfehler“-Ruf einer Linienrichterin. Das Ass war annulliert, das Ende der Partie aufgehoben.

Williams hielt irgendwie eisern die Contenance, verzichtete auf eine ähnlich wüste Schimpftirade wie noch im US-Open-Finale gegen die Japanerin Naomi Osaka. Vielleicht auch, weil sie glaubte, der Aufwand lohne sich nicht mit einer haushohen Führung im Rücken. Aber es kam dann alles ganz anders.

Beim nächsten Ballwechsel knickte Williams leicht mit dem Knöchel um. Sie verlor den Matchball, sie servierte danach einen Doppelfehler, sie musste das 2:5 hinnehmen. Und dann ging es für die angeschlagene Powerfrau schleichend, aber unaufhaltsam bergab, erst 3:5, dann 4:5 gegen eine Rivalin, die plötzlich wie aufgedreht spielte, wieder Mut und Zutrauen fasste und Gewinnschläge in Serie produzierte. „Sie hat überirdisch ausgesehen in den letzten Minuten“, sagte Williams: „So gut habe ich sie noch nie erlebt.“

Was besonders für das spektakuläre zehnte Spiel dieses dritten Aktes galt: Da nämlich hatte Williams auf einmal noch drei weitere Matchbälle, ebenso jäh wie unerwartet nach dem krassen Absturz zuvor. Pliskova, der gern in solchen Partien und Situationen die Nerven versagen, wehrte sich aber fulminant, erzwang das 5:5 und brach damit endgültig den Widerstand der 37-jährigen Tennis-Mutter. „Beim ersten Matchball war ich gedanklich schon halb in der Umkleidekabine“, sagte die Tschechin: „Nun stehe ich im Halbfinale. Ich kann es nicht fassen.“

Williams wies später alle Spekulationen zurück, der Auslöser der Aufsehen erregenden Niederlage sei die dezente Verletzung gewesen, der Ausrutscher beim ersten Matchball. „Es war die großartige Leistung von Karolina“, sagte sie: „Ich sah auch keinen Grund, mich behandeln zu lassen. Es wirkte alles okay für mich, nicht so schlimm.“ Geplatzt war mit dem irrwitzigen Scheitern der Überfrau des Welttennis so nicht nur der Traum vom 24. Rekordtitel, sondern ganz und gar nicht nebenbei auch eine neuerliche Verabredung mit der US-Open-Gewinnerin Osaka. Die Neuauflage des New Yorker Finales wäre an diesem Donnerstag zu bewundern gewesen. Osaka hatte mit ihrem 6:4, 6:1-Sieg gegen die Ukrainerin Elina Svitolina dafür die Steilvorlage geliefert. Aber Williams verwertete den Pass nicht, das große Drama war schon vorbei, ehe sich die Kontrahentinnen der legendären Big-Apple-Partie wieder begegnen konnten.

Bemerkenswert, aber wahr: Im Halbfinale war Tennis-Amerika dennoch vertreten. Nicht durch die ewige Serena. Sondern durch eine gewisse Danielle Collins, die 25-jährige Überraschungsfigur aus Florida, die auch die beiden deutschen Topspielerinnen Angelique Kerber und Julia Görges aus dem Titelrennen geworfen hatte. Vor den Australian Open 2019 hatte Collins genau null Spiele bei einem Major-Turnier gewonnen. Verrückt, dieses Grand-Slam-Turnier down under.

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