Serena lässt ihre Dämonen kurz verstummen

London · Novak Djokovic hat zum dritten Mal in Wimbledon gewonnen. Der Serbe setzte sich gestern im Endspiel gegen Roger Federer durch und zerstörte die Hoffungen des Schweizers auf den achten Titel bei dem Rasenklassiker.

 Für einen kurzen Augenblick kann Serena Williams ihren vierten großen Titel in Folge wirklich genießen. Foto: Dempsey/EPA

Für einen kurzen Augenblick kann Serena Williams ihren vierten großen Titel in Folge wirklich genießen. Foto: Dempsey/EPA

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Für 20 Minuten, vielleicht sogar eine halbe Stunde verstummten die Dämonen in ihrem Kopf, und Serena Williams fand endlich Ruhe. "Während der Siegerehrung und der Ehrenrunde war es friedlich, da habe ich mich richtig gut gefühlt", sagte die Jägerin aller Tennis-Rekorde nach ihrem sechsten Triumph in Wimbledon : "Wenig später habe ich aber schon wieder angefangen, über New York nachzudenken."

Es sagt viel aus über die alles dominierende Spielerin ihrer Zeit, dass sie sich selbst mit dem bedeutendsten aller Tennis-Triumphe nicht zufrieden geben kann - mehr noch als alle Zahlen, die beeindruckender kaum sein können. 21 Titel auf den großen Grand-Slam-Bühnen hat Williams nun gewonnen, zum zweiten Mal gelang ihr das seltene Kunststück, bei vier Majors nacheinander zu triumphieren.

Mit dem 6:4, 6:4 über die tapfer kämpfende Spanierin Garbine Muguruza avancierte Williams zur ältesten Spielerin, die seit Beginn der Open Era bei einem Grand-Slam-Turnier gewonnen hat. Doch nach dem Serena Slam warten bei den US Open schon der Grand Slam und die Bestmarke der deutschen Tennis-Legende Steffi Graf . Williams ist im reifen Tennis-Alter von fast 34 Jahren noch immer eine Getriebene, wie besessen vom nächsten Erfolg, vom nächsten Rekord.

Auch wenn sie versucht, entspannt zu wirken, der echte Grand Slam mit den Titeln in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York in einem Kalenderjahr, den bisher nur Maureen Connolly (1953), Margaret Court (1970) und Steffi Graf (1988) vollendet haben, ist die ultimative Herausforderung. "Das ist groß, wirklich, wirklich groß", sagte Williams.

Es wird viel auf sie einstürzen in den kommenden Wochen bis zum Turnierbeginn im Big Apple - wie viel, das weiß Steffi Graf . "Von Wimbledon an ist mir ständig dieser Begriff Grand Slam begegnet, die Medien haben nie aufgehört, ihn zu erwähnen. Das war fürchterlich", sagte Graf der L'Equipe: "Ich habe diese Erwartungen einfach nicht verstanden, alle haben darüber geredet, das hat mich total erschöpft."

Als Graf diesen mythischen Titel, für den es keinen Pokal und kein Preisgeld gibt, im Finale von Flushing Meadows gegen Gabriela Sabatini endlich erreicht hatte, habe sie das Gefühl, etwas Historisches vollbracht zu haben, kaum genießen können: "Ich kann nicht sagen, dass ich stolz war, ich war einfach nur erleichtert, dass es vorbei ist." Graf war damals ein Teenager, Williams hat in fast 20 Jahren auf der Profitour so ziemlich alle Tiefpunkte mitgenommen und sich stets auf den Gipfel zurückgekämpft. "Ich glaube, ich kann mit dem Druck umgehen", sagte die Amerikanerin: "Mit dem Serena Slam im Rücken kann ich den Grand Slam beruhigt angehen."

Ihre Dämonen werden ihr dabei helfen, denn Stolz oder gar Genuss lassen sie nie lange zu. "Wenn ich irgendwann einmal zurückgetreten bin, schaue ich zurück und sage: Oh, das war gar nicht schlecht. Aber jetzt versuche ich weiter, der größte Champion zu sein, der ich sein kann", sagte Williams. Riesengroß ist sie bereits. Novak Djokovic hat die Rückkehr von Rasenkönig Roger Federer auf den Wimbledon-Thron verhindert und seine Krone im Londoner All England Club verteidigt. Der Weltranglistenerste bezwang den siebenmaligen Champion im Finale der beiden weltbesten Tennisspieler mit 7:6 (7:1), 6:7 (10:12), 6:4, 6:3. Durch seinen dritten Triumph nach 2011 und 2014 zog Djokovic nach Anzahl der Turniersiege mit seinem Trainer Boris Becker gleich.

Nach 2:55 Stunden Spielzeit verwandelte Djokovic seinen Matchball und fügte Federer die dritte Niederlage im zehnten Wimbledonfinale zu. Der Maestro aus der Schweiz vergab wie im Vorjahr die Chance, als alleiniger Rekordhalter im Rasenmekka Tennisgeschichte zu schreiben. 2008 hatte Federer im längsten Finale der Turniergeschichte (4:48 Stunden) gegen Rafael Nadal verloren.

Während Djokovic sein bestes Tennis im Turnierverlauf abrief, knüpfte Federer zu selten an die Glanzleistung aus dem Halbfinale gegen Andy Murray an. Im ersten Satz ging der 17-malige Grand-Slam-Sieger mit 4:2 in Führung, verlor prompt seinen Aufschlag und erspielte sich dennoch zwei Satzbälle. "Zeig ihm, wer der Boss ist", rief einer der zahlreichen Federer-Fans unter den 15 000 Zuschauern auf dem Centre Court. Doch Djokovic konterte mit zwei präzisen Aufschlägen und steigerte sich im Tiebreak erneut.

Sieben Satzbälle hatte Djokovic, um seine Führung komfortabel auszubauen, nun zeigte Federer all seine Klasse und glich mit Kampfgeist aus. Gegen jeden anderen Spieler auf der Welt zahlt sich Federers offensive Strategie auf Rasen aus, nur Djokovic schafft es immer wieder, sich aus der Defensive zu befreien. So kontrollierte der 28-Jährige das Geschehen auch im dritten und vierten Satz. und ließ sich den dritten Wimbledon-Titel nicht nehmen.

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