Sensation um kurz nach Mitternacht

Saarbrücken · Paukenschlag bei der Mitgliederversammlung des 1. FC Saarbrücken um kurz nach Mitternacht: Der Aufsichtsrats-Vorsitzende Reinhard Klimmt und Ex-Präsident Paul Borgard gehören keinem FCS-Gremium mehr an.

Am Mittwoch um 0.05 Uhr hat bei Fußball-Drittligist 1. FC Saarbrücken eine neue Zeitrechnung begonnen. Selbst der hartgesottene Unternehmer und FCS-Präsident Hartmut Ostermann geriet beim Verlesen des Ergebnisses der Wahl zum Aufsichtsrat ins Stocken. "Reinhard Klimmt, 241 Stimmen." Pause. "Nicht gewählt." 244 Mitglieder hätten für den bisherigen Vorsitzenden des Aufsichtsrates votieren müssen, damit der 72 Jahre alte frühere Bundesverkehrsminister und saarländische Ministerpräsident zumindest den zweiten Wahlgang erreicht hätte.

Klimmt nahm das Ergebnis in der Saarbrücker Congresshalle schweigend zu Kenntnis. Jegliche Farbe war aus dem Gesicht des kämpferischen Politikers gewichen. Sofort griff er zu seinen Unterlagen, verstaute sie in seiner Tasche. Selbst langjährige FCS-Mitglieder konnten sich nicht an eine derart spektakuläre Personalentscheidung des Vereins erinnern - zumal diese anders als Präsidentenrücktritte oder Trainerwechsel auf einer demokratischen Entscheidung der Mitglieder beruht.

Die Stimmung im Saal ließ darauf schließen, dass selbst die "Klimmt-Gegner" im Verein mit einer derartigen Abstrafung nicht gerechnet hatten. "Das ist eine Sensation." "So darf man mit einem verdienten Vereinsvertreter nicht umgehen." "Selbst schuld." So lauteten einige Reaktionen der Anhänger.

FCS-Präsident Ostermann sagte: "Lieber Reinhard, das ist eine Zäsur im Verein." Klimmt selbst verließ nach Ende der Versammlung den Saal in Begleitung seiner Frau - wortlos, sichtlich angeschlagen. Seine Ankündigung, dass eventuell im kommenden Sommer schon die Arbeiten an der Haupttribüne im Ludwigspark-Stadion beginnen könnten, sorgte ebenso wenig für einen Stimmungsumschwung zu seinen Gunsten wie sein Bekenntnis: "Ich möchte die Arbeit fertig machen, die ich in den 90ern begonnen habe."

Ex-Präsident Paul Borgard hat den Sprung ins Aufsichtsgremium ebenfalls nicht geschafft. Er hatte sich mit den Worten "In einem Verein mit Kultur jagt man einen Präsidenten nicht vom Hof, wenn er sein Amt abgegeben hat" um den Aufsichtsratsposten beworben. Nur 184 Fans honorierten Borgards ehrliche, aber oft unglückliche Arbeit für den Verein. Bei der Wahl waren noch 486 stimmberechtigte Mitglieder anwesend.

Neuer Aufsichtsratschef ist nun Michael Arnold. Der ehemalige Vorstand der insolventen Baumarktkette "Praktiker" erhielt 354 Stimmen. "Ich bin sehr überrascht, dass es diese Veränderung gegeben hat", sagte Arnold: "Meine Kollegen haben mich gefragt, ob ich das Amt übernehmen würde. Wichtig ist jetzt, dass wir das Votum der Mitglieder annehmen".

Deutlich mehr Stimmen, nämlich 429, erhielt Daniel Hager. Doch der Unternehmer wollte aus zeitlichen Gründen nicht an die Spitze des Gremiums, ließ sich aber überzeugen, der Stellvertreter von Arnold zu werden. Weiter im Aufsichtsrat sind Rechtsanwalt Franz Abel (266 Stimmen), Leo Petry (266) und Egon Schmitt (372).

Neu dabei sind zwei "Vertreter der Basis". Student Florian Kern erhielt mit 324 Stimmen sogar das viertbeste Ergebnis. "Ich bin fassungslos, das hätte ich so nie erwartet", sagte der 23-Jährige, "auch das Ergebnis von Reinhard Klimmt ist eine Überraschung". Auch Versicherungsmakler Claude Burgard hat es mit 248 Stimmen geschafft: "Ich will die Gelegenheit beim Schopf packen und freue mich sehr auf die Aufgabe." Diese Aufgabe wird auch darin bestehen, das im Amt bestätigte Präsidium mit Hartmut Ostermann, Harald Ebertz und Dieter Weller bei der Arbeit zu unterstützen, den Verein nach dem Ende der Ära Klimmt zukunftsfähig aufzustellen.Knapp 2200 Mitglieder hat der 1. FC Saarbrücken - mehr als 550 erlebten am Dienstagabend eine vergleichsweise harmonische Mitgliederversammlung in der Saarbrücker Congresshalle mit durchaus konstruktiven Diskussionen. Der alte und neue Präsident Hartmut Ostermann mahnte zur Einigkeit und Konzentration aller Kräfte auf den Kampf gegen den Abstieg aus der 3. Fußball-Liga. "Wir sollten keine Energie für interne Streitigkeiten verschwenden", sagte der Unternehmer: "Wir wollen nicht bis zum Ende zittern." Dass Trainer Milan Sasic zu Wort kam, ist für derartige Versammlungen ebenso überraschend wie richtungweisend für den Verein. Ostermann demonstrierte damit sehr deutlich, wer der starke Mann im sportlichen Bereich des FCS ist. "Wir wissen, wo wir stehen und was zu tun ist", sagte Sasic, "aber es ist Geduld gefragt".

Schatzmeister Dieter Weller verkündete, dass der Verein einen Jahresüberschuss von 19 000 Euro erwirtschaftet hat - die "schwarze Null" sei damit größer als im Vorjahr bei einem Überschuss von 4000 Euro.

Der Ehrenratsvorsitzende Werner Cartarius leitete die Sitzung in seiner einzigartigen und souveränen Manier während der Entlastung der Gremien und deren Neuwahl. Werner Fries (Vorsitzender), Helmut Schwan (2. Vorsitzender), Jan Berger (Leiter Jugendfußball), Markus Hoffmann (Handball), Alexander Lier und Karl Siebenpfeiffer (Kassenprüfer) wurden in ihren Ämtern bestätigt. Nach jahrelanger Vakanz wurde ein neuer Abteilungsleiter Frauen- und Mädchenfußball gewählt. Der bisherige Leiter der weiblichen Jugend, August Leugers-Scherzberg, wird künftig der gesamten Frauen-Abteilung vorstehen.

Ein Satzungsänderungs-Antrag zur Einschränkung des Stimmrechts für Vereinsmitarbeiter wurde wegen rechtlicher Bedenken zurückgezogen. Anträge zur Terminierung der Mitgliedervesammlung, zur Demokratisierung der Satzung und der Regelung zur Ausgliederung der Lizenzspieler-Abteilung fanden ebenso nicht die notwendige Mehrheit wie der Vorschlag, künftig zu Beginn jeder Versammlung das Vereinslied "F-F-FCS" zu singen.

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