Saar-Schwimmer Fildebrandt Neue Reize in der alten Heimat

Saarbrücken · Bei deutschen Schwimm-Meisterschaften in Berlin will sich Christoph Fildebrandt für die EM in Glasgow in Position bringen.

 Christoph Fildebrandt ist der einzige im Saarland verbliebene Beckenschwimmer, der sich für die EM in Glasgow qualifiziert hat.

Christoph Fildebrandt ist der einzige im Saarland verbliebene Beckenschwimmer, der sich für die EM in Glasgow qualifiziert hat.

Foto: Oliver Dietze

Christoph Fildebrandt sitzt in der Albert-Wagner-Schwimmhalle an der Saarbrücker Sportschule entspannt auf seinem Stuhl. Gelöst spricht er über seine anstehenden Wettkämpfe und streckt seine langen Beine aus. Als die Frage kommt, zum wievielten Mal er an deutschen Meisterschaften teilnimmt, lässt er seine blauen Augen hervortreten und muss grinsen. „Das müsste die 16. Langbahn-DM sein. Nimmt man die Kurzbahn-Meisterschaften dazu, müssten es um die 30 sein“, sagt der 1,93 Meter große Athlet.

Fildebrandt ist nun schon seit 18 Jahren Leistungssportler. 2013 kam der heutige 29-Jährige ins Saarland, wo er nach einem Jahr aus dem Haus der Athleten auszog. Jetzt wohnt der Wuppertaler in Dudweiler – und fühlt sich dort richtig wohl. „Meine Vermieter wohnen unter mir, das ist fast schon ein Eltern-Sohn-Verhältnis“, erzählt er. Und die meisten Saarländer versteht er vom Dialekt her, „außer er ist bei manchen Älteren echt ausgeprägt“, meint er und lacht. „Filde“ wohnt mit seiner Freundin, der schwedischen Schwimmerin Ellen Olsson, zusammen. Die beiden, die auch einen eigenen Instagram-Kanal haben, sehen sich auch in den nächsten Jahren im Saarland.

Olsson verpasste im harten schwedischen Ausscheidungswettbewerb die Norm für die EM vom 12. bis 20. August im schottischen Glasgow – anders als ihr Freund. Er qualifizierte sich für die deutsche 4x100-Meter-Freistilstaffel. Ob er dort auch wirklich zum Zuge kommt, hängt von den Eindrücken bei einem Trainingslager in Heidelberg und den Ergebnissen bei den heute beginnenden deutschen Meisterschaften über die Langbahn in der Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark Berlin ab.

„Es wird nach Leistung besetzt. Aber ich gehe davon aus, dass ich bei der Staffel dabei bin“, sagt Fildebrandt, der in Glasgow auch gerne über die Einzeldisziplin 100 Meter Freistil schwimmen würde. „Wenn ich in Berlin aber eine 49,4 anbiete, wird das nicht klappen“, meint er und erklärt: „Mit der Zeit würde man wohl kein Halbfinale erreichen. Da wird es langsam Zeit, dass meine Bestzeit wieder fällt.“ Die liegt bei 48,8 Sekunden und stammt aus 2012. 2015 hatte er noch die 49,0 erreicht. Eine weitere Chance in Schottland wäre die Mixed-Staffel, für die aber wohl nur die zwei besten aus der Männer-Staffel ran dürfen.

Gestern um 14 Uhr hob Fildebrandts Flieger in die Hauptstadt ab. In Berlin startet er über 50 und 100 Meter Freistil. Gerade über die 100 Meter erhofft er sich eine Medaille. „Schwer, aber machbar“, glaubt der Schwimm-Schlaks, „denn für alle, die sich nicht für die EM qualifiziert haben, ist das der Höhepunkt – während ich alles in Sachen Leistungskurve auf die EM vier Wochen später ausgerichtet habe.“

Fildebrandts Leben ist schon seit vielen Jahren auf den Leistungssport ausgerichtet. Nach zwei Teilnahmen an Olympischen Spielen 2012 in London und 2016 in Rio de Janeiro ist Olympia 2020 in Tokio sein letztes großes Ziel. „Ich merke schon, dass das Training jedes Jahr härter wird. Es gibt ein Leben nach dem Sport – und ich freue mich darauf. Ein Jahr lang abtrainieren muss man aber auf jeden Fall, alleine schon vom Herzen her“, sagt er.

Dann hat er auch wieder mehr Zeit für seine Hobbys E-Sports, Playstation („Ich hab schon immer gern gezockt und bin da auch richtig ehrgeizig“) oder Rennradfahren. Auf das Rad steigt der 29-Jährige jetzt schon häufig sonntags. Denn der Sonntag ist der einzige freie Tag für ihn in der Woche. Rund elf Einheiten im Wasser, dazu jeden Tag Kraft- oder Athletiktraining und mehrmals die Woche Physiotherapie stehen sonst in einer „normalen Woche“ an.

Und dazu kommt noch seine Arbeit. Bei der Bereitschaftspolizei ist Fildebrandt derzeit noch zu 100 Prozent freigestellt. Wie sein Kollege, der Freiwasserschwimmer und Olympiateilnehmer Andreas Waschburger (31) aus Saarbrücken. „Waschi“ ist in derselben Dienstgruppe und im selben Zug, zusammen sichern sie Großveranstaltungen wie Demonstrationen oder Fußballspiele ab. Nach der Sportkarriere werden die Schwimmer dann wieder voll bei der Polizei einsteigen, in welchem Bereich auch immer. Einen guten Einblick in den Alltag auf Streife hatte er im Praktikum. „Da kommt man in manch schlimme Wohnung oder muss auch mal jemanden von der Brücke runterholen, bevor er springt“, erzählt der Kommissar.

Eine Belastung für den Kopf – Fildebrandts Körper ist Qualen dagegen gewohnt. Wenn auch mit einer Umstellung. Seit Jahresbeginn schwimmt er nämlich nach den Trainingsplänen des neuen Landestrainers Felix Weins. Und die haben es in sich. Größere Umfänge, mehr Belastung, mehr Fokus auf Kraft: Das schlaucht. „Klar braucht der Körper Zeit, sich zu gewöhnen. Aber es macht Spaß“, sagt „Filde“.

Mit dem ehemaligen Landestrainer Hannes Vitense nach Neckarsulm zu gehen, so wie es andere saarländische Topschwimmer taten (Annika Bruhn, Marlene Hüther, Celine Rieder), kam für ihn nie in Frage. Nicht nur wegen des Wohlfühlfaktors im Saarland. „Ich habe vielleicht auch mal andere Reize gebraucht, dass mal etwas Neues kommt“, sagt er und ergänzt: „Im Endeffekt habe ich es nicht bereut. Ich bin froh, hier zu sein.“ Weins sei ein anderer Typ als der emotionale Vitense, er sei ruhiger und „macht alles mit Bedacht“, lobt „Filde“.

Sorgen macht er sich nur in punkto Trainingspartner. Sein wichtigster, Jonathan Berneburg, wird nämlich ab Januar weg sein. Er geht mit einem Stipendium zum Studieren in die USA. „Wir haben uns immer zusammen einen gegeben im Becken und im Kraftraum“, sagt Fildebrandt. Wer ihn dann künftig pushen soll, weiß Fildebrandt noch nicht. Aber mit der Gelassenheit, mit der er seine DM-Teilnahmen zählt, sollte auch das zu bewältigen sein.

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