Schock für den Sport-Klassiker

Saarbrücken. Die Szene gehört zu den olympischen Momenten, die sich in das Langzeitgedächtnis vieler deutscher Sportfans eingebrannt haben. Olympische Sommerspiele 1984 in Los Angeles. Der deutsche Ringer Pasquale Passarelli steht in der Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm im Finale die Goldmedaille. Der Mann aus Ludwigshafen liegt mit 8:5 gegen den Japaner Masaki Eto in Führung

Saarbrücken. Die Szene gehört zu den olympischen Momenten, die sich in das Langzeitgedächtnis vieler deutscher Sportfans eingebrannt haben. Olympische Sommerspiele 1984 in Los Angeles. Der deutsche Ringer Pasquale Passarelli steht in der Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm im Finale die Goldmedaille. Der Mann aus Ludwigshafen liegt mit 8:5 gegen den Japaner Masaki Eto in Führung. Eto versucht, zu kontern, bringt Passarelli in eine gefährliche Lage und drückt ihn fast auf die Schultern. Passarelli geht in die Brücke, der Japaner liegt auf ihm. Quälende 95 Sekunden hält Passarelli diese unmenschliche Position durch, bis die Zeit abgelaufen ist. Runde vorbei, Gold für Passarelli - ein Stück deutscher Sportgeschichte.Viele Nachfolger von Passarelli wird es künftig nicht mehr geben. Denn die Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hat die klassische Sportart gestern überraschend aus dem Programm für die Sommerspiele 2020 gestrichen. Olympiasieger Passarelli sagt fassungslos: "Das ist traurig. Das Ringen ist zwar in letzter Zeit schlechter geworden, auch durch die Regeländerungen. Aber ich hätte nie gedacht, dass das so schnell geht."

Ringen wird demnach 2016 in Rio de Janeiro zum vorerst letzten Mal bei Sommerspielen auf dem Programm stehen - zumindest nach dem jetzigen Stand der Dinge. Seit den ersten Spielen der Neuzeit im Jahr 1896, als der Deutsche Carl Schumann Olympiasieger wurde, gehörte die traditionsreiche Sportart ohne Unterbrechung dazu. Auch im antiken Olympia waren die Ringer stets dabei.

Zusammen mit Baseball/Softball, Sportklettern, Karate, Rollersport, Squash, Wakeboard und Wushu hat Ringen jedoch die Chance, Ende Mai bei der Exekutiv-Sitzung in St. Petersburg/Russland noch den Verbleib zu sichern. Doch dies hat eher formalen Charakter und gilt als unwahrscheinlich. Endgültig bestätigen muss die Entscheidung die 125. IOC-Exekutive auf ihrer Sitzung im September in Buenos Aires.

"Der Ringer-Weltverband muss sich dort gut präsentieren", hofft Gerd Meyer,Vorsitzender des Landessportverbands für das Saarland (LSVS). "Aber ich gehe davon aus, dass die Argumente gut genug sein werden", fügt Meyer hinzu. Zumal der Sport in Ländern wie dem Iran oder der Türkei Volkssportcharakter hat. "Wenn es dabei bleibt, wäre das eine Katastrophe", sagt Meyer.

Wie attraktiv der Ringsport sein kann, demonstrierten die Köllerbacher Bundesligaringer erst vor drei Wochen im Finale um die deutsche Mannschaftsmeisterschaft. Vor 3000 Zuschauern in der Saarbrücker Saarlandhalle fiel die Entscheidung um den Titel erst in der entscheidenden fünften Runde des letzten Kampfes.

Jan Fischer war im Finale mit dabei und wurde von der Nachricht total überrascht: "Es ist unvorstellbar, die traditionsreichste Sportart überhaupt aus dem olympischen Programm zu nehmen", sagt der Vize-Europameister kopfschüttelnd. "Ringen ist Sport mit großem Idealismus. Da geht es nicht ums Geld." Auch Jannis Zamanduridis, Sportdirektor des Deutschen Ringer Bundes, kann es nicht fassen: "Der olympische Gedanke geht da völlig flöten. Da kann ich auch eine Messe veranstalten und BMX-Räder verkaufen."

An der Sportschule Saarbrücken stehen keine kurzfristigen Konsequenzen an. "Wir wurden als Olympiastützpunkt bestätigt", betont Gerd Meyer, "und werden uns in aller Ruhe auf die Olympischen Spiele 2016 vorbereiten."

Meinung

Die olympische Enthauptung

Von SZ-RedakteurMark Weishaupt

Das Internationale Olympische Komitee hat mit der Entscheidung, Ringen zu streichen, seine Geschichte verraten und die olympische Tradition enthauptet. Natürlich muss und wird es immer Sportarten geben, die neue Anhänger gewinnen und olympischen Status erlangen wollen. Dafür aber die älteste auf dem Altar des Geldes zu opfern, ist daneben. Wenn das Programm nicht ausufern soll, sollten andere gestrichen werden. Wer interessiert sich bei Olympia etwa für Fußball? Niemand, nicht mal die Spieler. Aber da geht es um Geld. Und das ist dem IOC offenbar wichtiger.

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