DFB-Pokal Scheuklappen vor einer besonderen Begegnung

Frankfurt · Eintracht Frankfurt will ins Pokalfinale. Für Niko Kovac und Kevin-Prince Boateng ist die Partie gegen Schalke nicht alltäglich.

Niko Kovac lächelte bei der unvermeidlichen Frage milde. Gerade hatte der Trainer von Eintracht Frankfurt eine Viertelstunde lang fast beschwörend über das DFB-Pokal-Halbfinale bei Schalke 04 gesprochen, darüber, dass es „nur um den Geist“ gehen werde – da kam es doch noch, das leidige Bayern-Thema. „Das trifft mich schon, was geschrieben wird“, sagte Kovac freundlich und aufgeräumt: „Ich bin auch nur ein Mensch.“

Es war das Spiegelbild der Lage bei der Eintracht, verdichtet auf wenige Minuten. Dass der Trainer zum 1. Juli den Rekordmeister aus München übernehmen wird, der Ablauf der Verhandlungen, die Umstände der Bekanntgabe, gegenseitige Vorwürfe – das überstrahlt derzeit alles. Selbst die historische Chance, heute Abend (20.45 Uhr/ARD und Sky) erstmals seit 1974/1975 zwei Mal nacheinander das Pokal-Endspiel zu erreichen. Kovac gab sich jedoch weit lockerer als noch vor wenigen Tagen, er war souverän und lachte viel. Dennoch schottet er sich vor dem wichtigen Spiel ab, so gut es geht. „Ich lese eigentlich sehr wenig“, sagte er. Scheuklappen hoch.

„Mich interessiert es nicht, wie wir weiterkommen. Hauptsache, wir kommen ins Finale“, betonte Kovac. Bei den Schalkern, einer Mannschaft „auf der Euphoriewelle“, sei sein Team „Außenseiter, ganz klar“. Die Situation sei ähnlich wie im vergangenen Jahr: „Keiner hatte uns zugetraut, ins Finale zu kommen. Die Hoffnung lebt.“

Es ist die Hoffnung auf Berlin, einen weiteren Schritt zum ersten Titel seit dem Pokalsieg vor 30 Jahren – und auch auf einen versöhnlichen Abschied. Der Wind hat sich innerhalb von Tagen gedreht in Hessen, er weht Kovac nun scharf ins Gesicht. Offen wird diskutiert, ob der Kroate womöglich noch vor dem Saison­ende entlassen wird, sollte es auf Schalke schiefgehen. Sportdirektor Fredi Bobic nennt in diese Richtung zielende Fragen „respektlos“.

Auch Kevin-Prince Boateng verschwendet daran keinen Gedanken. „Ich bin so nah dran, ins Finale zu kommen – das will ich mir nicht nehmen lassen“, sagte der Star der Eintracht, der heute besonders unter Strom steht – weil er seine Zeit bei Schalke als „Tiefpunkt“ seiner Karriere bezeichnet. „Es war wie ein Faustschlag ins Gesicht. Es ist die Realität, dass wenn alles gut läuft, alles super ist. Und wenn nicht, wird man fallen gelassen“, sagte der 31-Jährige: „Heute kann ich stolz sein, dass ich da wieder rausgekommen bin und diese ganze Kraft, Traurigkeit, Energie und Aggressivität in etwas Positives umwandeln konnte.“

Boateng war 2013 vom AC Mailand zu den Königsblauen gewechselt und im Mai 2015 für mehrere Monate suspendiert worden. Nach seiner kurzzeitigen Rückkehr nach Mailand kehrte er in dieser Saison über die Station UD Las Palmas zu Eintracht Frankfurt in die Fußball-Bundesliga zurück.

Im vergangenen Jahr hatte die Eintracht die riesige Chance auf ihren ersten Titel seit 1988 ausgelassen. Gegen ein Borussia Dortmund, das durch den Streit zwischen dem damaligen Trainer Thomas Tuchel und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bereits im Zerfall begriffen war, verloren die Frankfurter das Pokalfinale mit 1:2.

Diesmal muss das Endspiel erst noch erreicht werden. Kapitän David Abraham mahnte Konzentration an und nannte die Personalie Kovac „eine Entscheidung außerhalb unseres Machtbereichs“. Lieber richtete er den Blick auf Berlin: „Zwei Mal in Folge im Finale – ich weiß nicht, ob es das schon mal gab.“ Auflösung: ja, gab es. 1974 und 1975 wurde die Eintracht unter Dietrich Weise sogar zwei Mal in Folge Pokalsieger.

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