Russlands größter Star tritt ins Rampenlicht

Sotschi · 24 Stunden vor der offiziellen Eröffnung hat Jewgeni Pluschenko heute seinen ersten großen Auftritt. Eine ganze Nation hofft, dass der Superstar Russlands Eiskunstläufer im neuen Team-Wettbewerb zum Sieg führt.

Die drei Damen vom Putzgeschwader des Iceberg Skating Palace verzückte jede Bewegung ihres Lieblings. Die Kopftücher fest gebunden, die Arme auf den Wischmob gestützt, ließ das Trio Jewgeni Pluschenko nicht aus den Augen. Und was Russlands Kufen-Idol den drei vollschlanken Ladies aus dem dritten Oberrang bot, machte Mut. Seinen Fans, aber vor allem ihm selbst.

Als hätte der 31-Jährige nicht schon ein knappes Dutzend Mal auf den Operationstisch gemusst, legte er seine fulminanten Sprünge auf das eisige Parkett. Vierfacher Toe-Loop, dreifacher Axel, beide in Kombination - die parallel übenden Rivalen, der deutsche Meister Peter Liebers aus Berlin eingeschlossen, der ebenfalls heute ran muss (siehe untenstehender Text), staunten nicht schlecht.

Und als die Session kurz vor dem Ende stand, gefiel sich Pluschenko wie schon so oft in der Vergangenheit in der Rolle des Machos. Lässig mit Trainer Alexej Mischin an der Bande lehnend, warf er gelegentliche Seitenblicke auf die Konkurrenz, irgendwo zwischen Überheblichkeit und Arroganz. "Alles ist gut, wir sehen uns am Donnerstag. Ich bin bereit, meine Arbeit gut zu machen. Ich weiß um meine Verantwortung für die Fans", sagte Pluschenko anschließend grinsend, sein Trainer, der ihn seit 20 Jahren betreut, ergänzte nur kurz: "Jewgenis Training war wie geplant. Wir sind voll im Plan."

Choreographisch macht dem Olympiasieger von Turin 2006 ohnehin immer noch kaum jemand etwas vor. Bandscheibenprobleme, Rückenschmerzen, Kniebeschwerden - seine Ausdruckskraft lässt sich der Ex-Weltmeister davon nicht nehmen. Sollte die Konkurrenz gemutmaßt haben, der Blondschopf aus St. Petersburg sei nur ein körperliches Wrack, könnte Pluschenko sie schon heute eines Besseren belehren.

Für die Premiere des olympischen Team-Wettbewerbs (16.30 Uhr) könnten die Körner reichen. Was danach kommt, bleibt vorerst Spekulation. Insider glauben an folgendes Szenario: Der Parteifreund von Staatschef Wladimir Putin meldet sich für den Einzelwettbewerb mit ärztlichem Attest ab und lässt seinem 13 Jahre jüngeren Landsmann Maxim Kowtun den Vortritt. Der hatte ihn bei den russischen Meisterschaften an gleicher Stelle geschlagen.

Aber Sotschi ohne Pluschenko? Undenkbar für Putin und die mächtigen Olympia-Sponsoren. Nach einem so geheimnisvollen wie geheimen Sichtungslaufen hieß es nur: Pluschenko ist unser Mann. Einflüsse von außen bestreitet der Millionär vehement: "Niemand hat mich um ein Comeback gebeten. Es war nur der Wunsch von mir, meines Teams, meines Trainers und meiner Frau. Und wenn du deinen Sport liebst, kannst du auch mit vier Schrauben im Rücken Erfolg haben."

Snowboard-Superstar Shaun White aus den USA verzichtet bei den Winterspielen überraschend auf eine Teilnahme am Slopestyle-Wettbewerb, der heute mit der Qualifikation beginnt, - und damit auf die Chance auf zweimal Gold. Dies teilte der US-Verband gestern mit. "Wir respektieren Shauns Entscheidung, seinen Fokus auf den Gewinn einer dritten Goldmedaille in der Halfpipe legen zu wollen", sagte Verbandsdirektor Jeremy Forster.

Der 27-jährige zweifache Olympiasieger hatte sich zu Wochenbeginn wie auch andere Fahrer äußerst kritisch über den Slopestylekurs geäußert. "Furchteinflößend", nannte er die Strecke und ergänzte: "Jedes Mal, wenn man einen Kurs betritt, nimmt man einen gewissen Grad an Gefahr und Risiko in Kauf. Dieser Kurs hat davon vielleicht ein wenig mehr als andere." White selbst hatte sich bei einem Sturz auf dem Parcours mit Geländern, Kästen und Schanzen leicht am Handgelenk verletzt.

Aus Deutschland wird kein Snowboarder im Slopestyle an den Start gehen. Die aussichtsreichste Fahrerin, Silvia Mittermüller, fehlt wegen eines Achillessehnenrisses. Eine andere deutsche Athletin dürfte eigentlich gar nicht in Sotschi sein: Ski-Freestylerin Laura Grasemann hat sich streng genommen gar nicht qualifiziert.

Als Zwölfte beim Weltcup im kanadischen Calgary erreichte die 21-Jährige Anfang Januar die halbe Norm, der zweiten Hälfte aber fuhr sie in den folgenden vier Weltcups vergeblich hinterher. Nominiert wurde Grasemann trotzdem, der Deutsche Skiverband möchte sich in einer der jüngeren olympischen Disziplinen als moderner Verband präsentieren.

Von den Top-Stars der Szene wie Olympiasiegerin Hannah Kearney (USA) trennen Grasemann, die aus Heidelberg stammt, Welten. Obwohl die 22. der Weltrangliste keineswegs eine Exotin ist, wäre schon eine Teilnahme am Finale ein großer Erfolg. Die Qualifikation wird in zwei Teilen ausgetragen, heute und am Samstag, der auch gleichzeitig der Tag der Entscheidung ist. Insgesamt 20 Athletinnen erreichen die erste Finalrunde.

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