Russlands Aus rückt näher

Berlin · Die jüngsten Enthüllungen über Doping-Praktiken bei Olympia 2014 in Sotschi stellen den Start russischer Athleten bei den Sommerspielen in Rio in Frage. Das IOC steht vor einer schweren Entscheidung.

 Die russischen Sportler laufen 2014 ins Olympiastadion in Sotschi ein – angeführt von Fahnenträger Alexander Subkow, der unter Dopingverdacht steht. Foto: Walton/dpa

Die russischen Sportler laufen 2014 ins Olympiastadion in Sotschi ein – angeführt von Fahnenträger Alexander Subkow, der unter Dopingverdacht steht. Foto: Walton/dpa

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Der russische Sport versinkt im Dopingsumpf und stürzt das Internationale Olympische Komitee (IOC) in eine schwere Krise: Die jüngsten Enthüllungen über zum Teil abenteuerliche Doping-Praktiken russischer Athleten bei Olympia 2014 in Sotschi erschüttern die Sportwelt und stellen den Start russischer Athleten bei den Spielen in Rio mehr denn je in Frage.

"Die Vorwürfe wiegen schwer. Wenn in Russland so systematisch gedopt wird, sollte die gesamte russische Mannschaft nicht in Rio starten", fordert Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Russland setzte sich zur Wehr, sogar der Kreml schaltete sich ein. Bei den Vorwürfen handele es sich "um Verleumdungen eines Deserteurs", wie Sprecher Dmitri Peskow erklärte. Mit Deserteur ist der Kronzeuge Gregori Rodtschenkow gemeint. Der ehemalige Chef des Dopinglabors in Sotschi lebt nach seiner Kündigung in den USA und hatte der "New York Times" von einem staatlich gelenkten Doping-Programm während Olympia in dem russischen Schwarzmeerort berichtet. Dutzende Sportler des Gastgebers sollen bei den Winterspielen gedopt gewesen sein, darunter 15 Medaillengewinner. Mit Methoden wie in einem Krimi soll das staatlich gestützte Dopingsystem in Sotschi gegriffen haben. Urinproben wurden ausgetauscht und durch ein Loch in der Wand in einen als Abstellkammer deklarierten Raum weitergereicht. Dort kam es nachts zu Manipulationen.

"Wenn das systematisch und mit entsprechenden Ressourcen langfristig vorbereitet wird, dann ist ein solches Szenario denkbar", sagte Dopingexperte Mario Thevis. Der Kölner Forscher war in Sotschi selbst dabei, gehörte zu den 20 internationalen Experten, die für die Vorgänge im Labor verantwortlich waren. Doch jeder Experte hatte immer nur Einblicke in ein, zwei Büros und konnte nicht die gesamten Sachverhalte um die Proben verfolgen.

Russland indes wittert eine Verschwörung und wettert gegen Rodtschenkow. "Er hat sehr viele Regeln gebrochen, und als das festgestellt wurde, hat man ihn gefeuert", sagte Sportminister Witali Mutko. Die von Rodtschenkow namentlich beschuldigten Olympiasieger Alexander Subkow (Bob), Alexander Legkow (Langlauf) und Alexander Tretjakow (Skeleton) wiesen die Vorwürfe bereits zurück.

Das IOC hat auf alle Fälle ein Riesenproblem. Offiziell will die Ringe-Regierung erst einmal die Untersuchungen der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) abwarten, doch schon jetzt ist der Skandal in der Welt. Die ersten Konsequenzen dürfte der russische Sport im Juni zu spüren bekommen, wenn der Leichtathletik-Weltverbandes IAAF über die Wiederaufnahme und den Start in Rio entscheidet. Im Anschluss könnte der komplette Ausschluss folgen, der auch Kenia droht, da die Wada das ostafrikanische Land als "nicht regelkonform mit dem Anti-Doping-Code" eingestuft hat. "Das wäre schade, aber es wäre noch schlimmer, wenn Manipulationen nicht konsequent bestraft würden", sagte Prokop.

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