Reisters Traum endet abrupt

Paris. Er piesackte den Meister aller Klassen genau einen Satz und 40 Minuten lang

Paris. Er piesackte den Meister aller Klassen genau einen Satz und 40 Minuten lang. Doch die Tenniswelt wurde nicht auf den Kopf gestellt an einem strahlend Sonnentag, an dem die wundersame French-Open-Expedition des Nordlichts Julian Reister dann doch zu Ende ging - gegen einen Roger Federer, der, einmal in Schwung gekommen, die Partie in der dritten Runde mit kühler Konsequenz 6:4, 6:0 und 6:4 gewann. Während Reister bei seinem Rendezvous mit dem Weltranglisten-Ersten auch ohne Erfolgserlebnis einen gewinnenden Eindruck hinterließ, blieb Philipp Kohlschreiber nun als einziger deutscher Profi zurück: Der deutsche Frontmann arbeitete sich mit einem solide erkämpften 7:6 (7:5), 6:3 und 7:5 gegen den Südtiroler Andreas Seppi in die dritte Runde vor. Minimalziel also erreicht für Kohlschreiber. Als letzte deutsche Damenspielerin schied derweil Julia Görges aus, 1:6 und 1:6 abgefertigt von einer unbarmherzig guten US-Amerikanerin Serena Williams. Federer im Rücken, "Schmetterlinge im Bauch und ein bisschen Angst vor der ganzen Situation" - so hatte Reister, der deutsche Überraschungsmann dieser French Open 2010, den Court Suzanne Lenglen betreten. Doch seine anfängliche Nervosität schüttelte er ab, nachdem er gleich im ersten Aufschlagspiel einen 0:40-Rückstand wettgemacht hatte und 1:0 in Führung ging. "Da habe ich innerlich erst mal aufgeatmet. Da war das schlimmste Flattern vorüber", sagte Reister hinterher. Bis zum 4:4 hielt der 24-jährige Spätzünder prächtig mit, brachte Federer mehr als einmal ins Schwitzen - aber als es dann auf die Zielgeraden des ersten Satzes ging, verschärfte der Titelverteidiger das Tempo. Reister verlor den Aufschlag und schnell danach auch den ersten von drei Akten. Im zweiten Satz ging dann plötzlich alles viel zu schnell für Reister, der von einem in den sechsten bis siebten Gang schaltenden Federer hoffnungslos überrumpelt wurde. Binnen 18 Minuten waren sechs Spiele gespielt, alle für Federer und keins für Reister. Doch der Norddeutsche kämpfte sich noch einmal zurück in die Partie, hielt den Zweikampf in Satz drei offen. Das logische Ende war freilich nicht zu vermeiden, Federers Sieg war nach einem vergebenen ersten Matchball mit Doppelfehler dann nach einer Stunde und 32 Minuten fixiert. "Gut gemacht, gutes Spiel", gab der Schweizer seinem Gegner am Netz mit auf den Heimweg. Kohlschreiber dagegen tat sich schwer mit dem Sandplatz-Experten Seppi, einem Mann, der seinem Gegenspieler keinen Rhythmus gibt und gern zwischen Genie und Wahnsinn umherschwankt. Erst nach dem gewonnenen Tiebreak im ersten Satz spielte der Augsburger, hier an Platz 27 gesetzt, mit mehr Sicherheit und brachte zunehmend Druck und Risiko in seine Schläge. Schnell holte sich Kohlschreiber Satz zwei und wendete auch im dritten Durchgang einen 3:5-Rückstand zum 7:5. In der Frühschicht auf Court Suzanne Lenglen hatte Deutschlands letzte Tennis-Mohikanerin, die Bad Oldesloerin Julia Görges, kräftig Prügel gegen die amerikanische Branchenführerin Serena Williams bezogen. Nach 55 Minuten war dieses kurze Vergnügen schon vorbei, ohne dass Görges irgendwelche bleibenden Eindrücke hinterlassen hätte. "In der Form sind auch schon ganz andere gegen sie unter die Räder gekommen", befand die 21-jährige, "da ging nicht viel." Dass die Weltranglisten-Erste hochkonzentriert und weitgehend fehlerfrei gespielt habe, wollte die Fed-Cup-Spielerin als Anerkennung verstanden wissen: "Sie hat mich schon ernst genommen."

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