Radsport Klein startet neuen Anlauf auf die Weltspitze

Saarbrücken · Die Radfahrerin aus Völklingen hat die Olympia-Enttäuschung verdaut. Ab Freitag fährt sie bei den deutschen Straßen-Meisterschaften.

 Radfahrerin Lisa Klein fährt ihre dritte Saison bei den Frauen. Die Völklingerin hat die für sie enttäuschend verlaufenen Olympischen Spiele 2016 verdaut und greift neu an – vor allem bei Straßenrennen.

Radfahrerin Lisa Klein fährt ihre dritte Saison bei den Frauen. Die Völklingerin hat die für sie enttäuschend verlaufenen Olympischen Spiele 2016 verdaut und greift neu an – vor allem bei Straßenrennen.

Foto: imago/PA Images/Nigel French

Die Anreise fiel Lisa Klein nicht schwer. Im vergangenen Jahr fanden die deutschen Straßenmeisterschaften im Radsport in Erfurt statt. Klein kommt zwar aus dem Völklinger Stadtteil Lauterbach. Doch seit Januar 2016 lebt sie in der thüringischen Landeshauptstadt. Also konnte sie sich vor der Haustür einfach auf ihr Rad setzen und zum Straßenrennen rollen – eine kleine Anekdote aus dem Leben einer Sportlerin, die mit dem Rad überall in der Welt an den Start geht. Am kommenden Wochenende in Chemnitz, wo der Bund Deutscher Radfahrer diesmal seine nationalen Titelkämpfe veranstaltet.

2016 kam Klein beim Einzelzeitfahren als Sechste ins Ziel, das Straßenrennen beendete sie auf Platz acht. Sie wird wieder an beiden Rennen teilnehmen. Am Freitag um 14 Uhr beginnt der Kampf gegen die Uhr. Tags drauf geht es ab 15 Uhr über sechs Runden auf einen 19,4 Kilometer langen Stadtkurs durch Chemnitz. Klein will mehr erreichen als im Vorjahr: „Im Zeitfahren wäre es ein Traum, auf dem Podium zu landen“, sagt sie. Ihr Minimalziel: die ersten Fünf. Titelverteidigerin Trixi Worrack führt die Konkurrenz an. Klein muss aber auch auf Stephanie Pohl achten, mit der sie sonst gemeinsam im Radteam Cervélo Bigla fährt.

Die Meisterschaften in Chemnitz sind für Lisa Klein nur eine „Zwischenstation“, sagt sie. Am 29. Juni beginnt der Giro Rosa, das weibliche Pendant zum Giro d‘Italia der Männer. Die Damen-Rundfahrt erlebt ihre 28. Auflage. Für Klein ist es die Premiere. „Das wird eine Herausforderung“, ist Klein sich sicher: „Ich weiß noch nicht, was mir bevorsteht.“

Vor ihr liegen zehn Etappen, in der zweiten Hälfte des Giro muss sie einige Anstiege bewältigen. Als Bergspezialistin gilt Klein nicht. Außerdem stürzte sie im Mai, ausgerechnet nach einer Rennpause. Das kostete sie zwei Starts, einen Teil ihrer Vorbereitung. Doch Klein bleibt gelassen. „Der Giro ist nicht mein Saisonhöhepunkt“, sagt sie.

Im August will die Saarländerin bei der Straßenrad-EM im Zeitfahren der U23 gut abschneiden. 2016 erreichte sie den dritten Platz, „überraschend“, wie sie findet. Im Herbst steht in Norwegen die WM an. Dort hat sie mit der Mannschaft von Cervélo Bigla das Zeitfahren „fest im Visier“. Auch in diesem Wettbewerb gab es zuletzt Bronze, unter schwierigen Bedingungen in Katar. Man merkt: Lisa Klein befindet sich mitten in ihrem dritten Jahr bei den Frauen. Die 20-Jährige hat sich als Radprofi etabliert, wird bei Cervélo Bigla häufiger eingesetzt. Das ist einer der Gründe, weshalb ihr Programm von Straßenrennen dominiert wird.

In der Vergangenheit fuhr Klein zweigleisig. Radsport bestand für sie aus Straße und Bahn. Daran soll sich in Zukunft nichts ändern. Doch in den vergangenen Monaten konzentrierte sich die Sportlerin gezielt auf den Asphalt. Klein sagt: „Das ist meine erste Saison, in der ich keine Bahn fahre.“

Klein musste ein wenig Abstand gewinnen von der Radrennbahn, nachdenken. 2016 fuhr sie mit zu den Olympischen Spielen nach Rio de Janeiro. „Die Erfahrung, dort zu sein, war schon großartig“, blickt sie zurück. „Das Event an sich werde ich nie vergessen.“ Anders sieht es mit dem Wettkampf aus. Dabeisein war für Klein nicht alles – obwohl sie überraschend mit nach Rio durfte.

Das Talent war als Ersatzfahrerin im Bahnrad-Vierer vorgesehen. Dabei blieb es. „Ich konnte mich da nicht rausfahren“, sagt Klein. Zumal die deutschen Frauen in der Qualifikation als einzige Mannschaft ausschieden, nach einem Rennen alles vorbei war. Offen sagt sie: „Sportlich gesehen, habe ich Rio verarbeiten und abhaken müssen.“

So ganz scheint dieser Prozess nicht abgeschlossen zu sein. Vor den Olympischen Spielen hatte Klein ihre Bestzeit über 3000 Meter auf der Bahn enorm steigern können – um satte acht Sekunden. Nach ihrer Rückkehr aus Brasilien gewann sie die deutsche Meisterschaft in der Einerverfolgung. Diese Erfolge haben die Enttäuschung von Rio nicht aufgewogen, das ist Klein deutlich anzuhören. Auf der Bahn habe sie an Ergebnissen leider nicht viel erreicht. „Meiner Meinung nach.“ Über ihren Meistertitel sagt sie nüchtern: „Wenn man von Olympischen Spielen zur deutschen Meisterschaft kommt, erhofft man sich auch was.“

Fest steht aber: Ende des Jahres wird sie im Wettkampf auf die Bahn zurückkehren. Perspektivisch geht es um die nächsten Spiele, 2020 in Tokio. Der Rahmen stimmt: Klein ist Sportsoldatin, gehört zu einer Fördergruppe der Bundeswehr in Frankfurt/Oder. Daneben arbeitet sie am Erfurter Olympiastützpunkt intensiv mit Trainer Michael Beckert. Da bleibt wenig Zeit für anderes, ihr Lehramtsstudium hat Klein unterbrochen. „Das hat nicht funktioniert“, sagt sie. Weil es im Sport so gut für sie läuft.

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