Qualität im Überfluss

Gelsenkirchen. Theo Zwanziger ist ein stolzer Mann, wie die meisten Sportfunktionäre ist er keineswegs uneitel. Und wenn es feierlich wird, hält er gerne Reden. Also ist der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am Freitagabend vor die Nationalspieler getreten. "Der deutsche Fußball ist stolz auf diese Mannschaft", hat er verkündet

 Die Plätze im Mittelfeld sind umkämpft: André Schürrle (links) und Mario Götze drängen in die Startelf. Foto: friso Gentsch/dpa

Die Plätze im Mittelfeld sind umkämpft: André Schürrle (links) und Mario Götze drängen in die Startelf. Foto: friso Gentsch/dpa

Gelsenkirchen. Theo Zwanziger ist ein stolzer Mann, wie die meisten Sportfunktionäre ist er keineswegs uneitel. Und wenn es feierlich wird, hält er gerne Reden. Also ist der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am Freitagabend vor die Nationalspieler getreten. "Der deutsche Fußball ist stolz auf diese Mannschaft", hat er verkündet. Vermutlich ist Zwanziger auch ein bisschen stolz auf sich selbst. Schließlich ist er als Verbandschef so etwas wie der Aufsichtsratsvorsitzende dieses Erfolgsprojektes, dessen jüngstes Produkt das 6:2 gegen überforderte Österreicher ist. Damit hat sich die Mannschaft für die Europameisterschaft qualifiziert. Wie die Partie morgen in Polen (20.45 Uhr/ZDF) dienen die übrigen Qualifikationsspiele gegen Belgien und die Türkei nun als Testspiele. Doch dies ist kaum mehr, als eine Randnotiz. Denn sensationell ist die individuelle Qualität, die Bundestrainer Joachim Löw zur Verfügung steht.

Leiser Klose wird euphorisch

"Vor vier, fünf Jahren hieß es immer: kein gescheiter Torwart, kein Stürmer, kein Mittelfeldspieler. Jetzt haben wir alles, auch doppelt und dreifach besetzt", sagte Miroslav Klose, dieser leise Stürmer, der eigentlich nie schwärmt. Plötzlich gibt's Qualitätsfußballer im Überfluss. Klose wurde regelrecht euphorisch: "Ich kann eindeutig sagen, dass das die beste deutsche Mannschaft ist, in der ich gespielt habe." Einen kleinen Anteil an der bemerkenswerten Entwicklung hat vielleicht tatsächlich Zwanziger. Sein Verband bemüht sich seit Jahren um die Ausbildung dieser vielen Talente, die in die Mannschaft drängen. Die Flut der Fußballer mit EM-Potenzial ist das Thema, das die Nationalelf bis 2012 begleiten wird.

Besonders umkämpft sind die Plätze im Mittelfeld. Jahrzehntelang sehnte Deutschland sich nach mehr Kreativität. 2008 nach dem 0:1 im EM-Finale gegen Spanien wurde das Ziel formuliert, "dass wir den Konkurrenzkampf erhöhen und uns spielerisch verbessern", erzählte Löw am Freitagabend. Dass die Absichten sich derart umfassend umsetzen lassen würden, hat er sicher nicht erwartet. Inzwischen steht Löw dadurch sogar vor einer Frage, die er nicht beantworten kann: Wie soll er Mario Götze einbauen? Thomas Müller aus der Mannschaft nehmen - undenkbar. Der Mann ist ein Geschenk. Gegen Österreich hat der Münchner drei Tore vorbereitet, wieder einmal war ihm eine fantastische Leistung gelungen. Mesut Özil rausnehmen - undenkbar. Er hat sich bei Real Madrid durchgesetzt und am Freitag drei Treffer erzielt, von denen einer aber Klose zugeschrieben wurde. Am ehesten muss Lukas Podolski um seinen Status fürchten, doch auf der linken Seite gilt André Schürrle als Alternative, nicht Götze. Denn außen im Mittelfeld setzt Löw auf Sprinter, die "in die Tiefe gehen", wie er sagt. Und Marco Reus, der vielleicht beste Spieler in der Startphase der Bundesliga, drängt auch noch nach vorne.

Wenn sich niemand verletzt, gibt es einfach keinen Platz für Götze. "Wir haben andere Spieler, die im Mittelfeld glänzend harmonieren", sagte Löw, der gut funktionierende Strukturen nur sehr ungern umbaut. Außerdem verfügt die Achse Müller-Özil-Podolski über die Erfahrung der gelungenen Weltmeisterschaft von 2010.

Dreierkette ist das Prunkstück

Gestern bereitete Löw die Nation schon einmal darauf vor, dass der 19 Jahre alte Dortmunder eher nicht in die Stammelf aufrücken wird. "Die Erfahrung zeigt, dass auch andere Spieler in ein Loch gefallen sind, nach einem kometenhaften Aufstieg", meinte er zum Fall Götze. Im Moment braucht er das Riesentalent einfach nicht. Welch ein Luxus. Denn die offensive Dreierkette in Löws 4-2-3-1-System ist das Prunkstück. Gegen schwache Österreicher stellte er sogar auf ein 4-1-4-1-System um, um einen vierten offensiven Mittelfeldspieler einbauen zu können. Toni Kroos durfte den Job erledigen. Gegen stärkere Gegner wird aber wieder Sami Khedira als zweiter "Sechser" neben Bastian Schweinsteiger gebraucht, denn die Instabilität der Defensive war gegen Österreich einziger Schwachpunkt der deutschen Mannschaft.

Morgen im Testspiel in Polen wird Götze allerdings spielen dürfen. Neben Manuel Neuer - für ihn steht Tim Wiese im Tor - und Schweinsteiger hat Löw auch Özil eine Pause verordnet und ihn nach Hause geschickt. Die drei etablierten Kräfte dürfen sich schonen, Gelegenheit also für eine neue Götze-Show.

dfb.de

"Der deutsche Fußball ist stolz auf diese Mannschaft."

DFB-Präsident Theo Zwanziger

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort