Polizei in Fußball-Stadien: "Das Limit ist erreicht"

Frankfurt. Die Polizei ist aus Gewerkschaftssicht mit ihren Einsätzen bei Bundesliga-Spielen endgültig "an die Grenzen gestoßen", will aber den Fußball nicht zur Kasse bitten

 Randalierende Fans: Ein Problem, bei dem viele davon Betroffene zunächst einmal in Aktionismus verfallen. Foto: SZ

Randalierende Fans: Ein Problem, bei dem viele davon Betroffene zunächst einmal in Aktionismus verfallen. Foto: SZ

Frankfurt. Die Polizei ist aus Gewerkschaftssicht mit ihren Einsätzen bei Bundesliga-Spielen endgültig "an die Grenzen gestoßen", will aber den Fußball nicht zur Kasse bitten. In der Saison 2009/2010 sei die Rekordzahl von 574 000 Einsatzstunden geleistet worden, erklärte Bernhard Witthaut, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, bei einem Sicherheits-Kongress gestern in Frankfurt. Bundesweit waren es rund um den Ball 1,5 Millionen Stunden. Das entspricht der Jahresarbeitszeit von 1174 Polizisten.

In der Bundesliga-Spielzeit 2008/2009 war die Polizei 537 000 Stunden im Einsatz. In der 2. Liga wuchs die Zahl sogar von 292 000 auf 409 000 Stunden. "Ein Ende dieser wachsenden Einsatzbelastung ist nicht in Sicht. Für uns als Polizei ist das Limit erreicht", klagte Witthaut. Er bezeichnete die Forderung nach einer Kostenbeteiligung der Vereine an den Polizeieinsätzen dennoch als "unsinnig und juristisch falsch". Witthaut ist überzeugt, dass in Zeiten leerer Staatskassen dieses Geld ohnehin nicht bei der Polizei landen würde. Die konkurrierende Deutsche Polizei-Gewerkschaft um ihren Chef Rainer Wendt hatte gefordert, dass die Deutsche Fußball Liga Sonderabgaben von 75 Millionen Euro je Saison zahlen solle. Auch einige Politiker hatten eine Kostenbeteiligung verlangt, die nicht durchgesetzt werden konnte.

Unter dem Motto "Feindbilder im Abseits" diskutierten bei dem Kongress etwa 300 Vertreter der Polizei, der DFL und des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sowie aus der Fan-Szene. Alle Seiten setzen auf mehr Kommunikation und den Abbau der Aggressionen zwischen den Lagern. "Wir sind nicht die Einzigen, die die Polizei in Anspruch nehmen. Weniger als ein Prozent der Polizei-Stunden entfallen auf den Fußball", betonte DFB-Präsident Theo Zwanziger und verwies auf die Atomtransporte. Zwanziger betonte die gesellschaftliche Rolle des Fußballs und meinte: "Wir können nicht alle Versäumnisse der Gesellschaft beheben."

Witthaut erhob eine Reihe von Forderungen, um die Gewalt rund um Fußball-Spiele einzudämmen - unter anderem ein Alkoholverbot in und um die Stadien, den Ausbau der Fanbetreuung in den niedrigeren Klassen, einen flexibleren Spielplan und eine volle Ausnutzung des Strafrahmens. "Wir brauchen nicht mehr Polizei und härtere Gesetze, wir brauchen Kommunikation und Transparenz", meinte Fan-Forscher Gunter Pilz. So berichtete Johannes Liebnau, Fan des Hamburger SV, von der Ultragruppe Hamburg von einem "sehr großen Vorbehalt gegenüber dem Dialog mit der Polizei". Dem Journalisten Christoph Ruf gelang bei der Veranstaltung der Brückenschlag am besten. "Der Fan fühlt sich im Fan-Alltag nicht mehr als Staatsbürger mit Rechten und Pflichten, sondern als Schwerverbrecher", berichtete der Politikwissenschaftler. dpa

"Der Fan

fühlt sich

als Schwer-

verbrecher"

Christoph Ruf, Journalist und Politikwissenschaftler

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