Politik übt großen Druck auf Trainer aus

Mainz. Otto Pfister und Winfried Schäfer - zwei Ex-Trainer, deren Meinung über afrikanische Fußball-Nationalmannschaften auseinander gehen

 Weltenbummler Otto Pfister (Zweiter von rechts) trainierte von 2007 bis 2009 Kamerun. Foto: dpa

Weltenbummler Otto Pfister (Zweiter von rechts) trainierte von 2007 bis 2009 Kamerun. Foto: dpa

Mainz. Otto Pfister und Winfried Schäfer - zwei Ex-Trainer, deren Meinung über afrikanische Fußball-Nationalmannschaften auseinander gehen. Winfried "Winnie" Schäfer (Foto: dpa) sagte bei einer Diskussion in Mainz, er sehe zwei Mannschaften vom Schwarzen Kontinent im Halbfinale der Weltmeisterschaft, "vorausgesetzt, sie werden im Vorfeld gut geführt und der Verband zahlt den Spielern rechtzeitig die Prämien aus". Zu seinen Favoriten fürs Halbfinale zählen Kamerun, Ghana und die Elfenbeinküste.

Pfister sagte skeptisch: "Ich hoffe, dass eine afrikanische Mannschaft ganz nach oben kommt, die Afrikaner hätten es verdient. Aber ich glaube nicht, dass eines ihrer Teams ins Halbfinale vordringt." Die Elfenbeinküste könnte es schaffen, hätte sie nicht das Pech, mit Brasilien, Portugal und Nordkorea in einer "Todesgruppe" zu spielen. Doch nicht allein die Zahlungsmoral der Verbandsoberen bremse die Leistung der Spieler. "So großartige Fußballer die Afrikaner haben, so unprofessionell arbeitet das Umfeld der Nationalteams. Alles, was um die Mannschaft herum passiert, ist nicht perfekt", sagte Pfister. Dagegen seien europäische Mannschaften geradezu verwöhnt, denn da werde ja an alles gedacht. Schäfer ergänzte: "Vom Besuch der Ehefrauen im Trainingslager bis hin zum Leistungstest ist alles durchorganisiert. In Afrika aber denken Funktionäre zuerst an sich und nutzen die Nationalmannschaft als Bühne zur Selbstdarstellung." Solange sich dies nicht ändere, werde keine Nationalmannschaft Afrikas eine Chance haben, bei einer WM weit nach vorne zu kommen.

Beide haben bei ihrer Arbeit mit afrikanischen Mannschaften die Erfahrung gemacht, dass "der Druck aus der Politik auf die Trainer sehr groß ist. Daran kommt man als Trainer nicht vorbei", berichtete Pfister und erklärte, wie der Druck "von oben" ausgeübt wird. Bei Niederlagen werde sich der Staatspräsident den Minister für Jugend und Sport "greifen". Der gebe den Druck weiter an den Verband, der den Trainer als Sündenbock ausmacht.

Was die Sicherheit bei dieser WM betrifft, so sei Skepsis berechtigt und vielleicht notwendig, Muffensausen aber fehl am Platz. Die Teilnehmer der Diskussion, zu der der Berater des WM-Organisationskomitées, Horst Schmidt, gehörte, waren sich einig, dass man nirgendwo sicher sei. Die Frage aber lautete: Ist man in Südafrika zur WM unsicherer als andernorts? An dem Thema rieben sich die Teilnehmer. Sie griffen Äußerungen von Uli Hoeneß auf. Der Präsident des FC Bayern München hatte mit seiner Aussage "Die WM hätte nie nach Südafrika vergeben werden dürfen" für Zündstoff gesorgt. Pfister verdeutlichte: "Wenn du nachts an einem großen deutschen Bahnhof mit deiner Geldbörse wedelst, bist du sie genau so schnell los wie in Afrika." Motto: Passieren kann überall etwas. Schmidt meinte, in diesem Land könne man nicht alle Städte über einen Kamm scheren. Kaiserslautern und Berlin könne man auch nicht miteinander vergleichen. In der Stadt Polokwane (deutsch: "sicherer Ort") herrschen andere Verhältnisse als in den sozialen Brennpunkten Südafrikas.

Schmidt kritisierte "Panikmacherei, die das Verhältnis Deutschlands zu Südafrika verschlechtern. Denn es heißt dann in Südafrika: Die Deutschen sind uns nicht wohl gesonnen". Schäfer wunderte sich, warum die Sicherheitsdiskussion einen derartigen Stellenwert einnimmt. Es werde ausufernd über Gewalt in Elendsvierteln berichtet, "aber dann sollen die Leute halt einfach nicht dorthin gehen". Er stellte die Frage: "Was ist das denn überhaupt für eine Denkweise?" Und gab postwendend die Antwort: "Wenn ich eine Berlin-Reise mache, suche ich mir doch auch nicht die dunkelsten Ecken aus."

Keine konkrete Antwort gab es auf die Frage "Was bringt die WM Südafrika?" Fakt ist: Das Land hat 15 Milliarden Euro investiert - vier Mal so viel wieDeutschland bei der WM 2006. Schmidt befürchtet, so mancher Traum werde unerfüllt bleiben: "Vergangene Weltmeisterschaften und Olympische Spiele haben gezeigt, dass sportliche Großereignisse der Wirtschaft weit weniger Impulse geben, als es die Prognosen vorhergesagt haben." Trotzdem werde Südafrika als ein Gewinner aus dieser WM hervorgehen. Das Turnier könne die Nation, die noch unter Nachwirkungen der Rassentrennungs-Politik leide, zusammenschweißen: "So wie es das Rugby-Nationalteam 1995 mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft getan hat. Dazu muss aber das Fußball-Nationalteam die Vorrunde überstehen - mindestens." Der emotionalste Moment der WM könne sein, wenn der beliebteste Held Südafrikas, der frühere Anti-Apartheid-Kämpfer, Friedensnobelpreisträger und erste schwarze Präsident des WM-Landes, der 91-jährige Nelson Mandela, das Weltturnier am 11. Juni eröffnen würde. In dem Punkt waren sich die Podiumsteilnehmer einig. Aber das ist ein Traum, der unerfüllt bleiben wird.

Zur Person

Winfried Schäfer wurde am 10. Januar 1950 in Mayen geboren. Seine Stationen als Spieler: Borussia Mönchengladbach, Kickers Offenbach und Karlsruher SC. Seine Stationen als Trainer: Karlsruher SC, VfB Stuttgart, Tennis Borussia Berlin, Kamerun, Al-Ahli in Dubai und Al Ain Club in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Otto Pfister wurde am 24. November 1937 in Köln geboren. Seine Stationen als Trainer: Ruanda, Obervolta, heute Burkina Faso, Senegal, Elfenbeinküste, Zaire, heute Kongo, Ghana, Bangladesch, Saudi Arabien, Zamalek Kairo, CS Sfaxien in Tunesien, Nejmeh SC im Libanon, Al Masry in Ägypten, Togo, Al Merriekh Omdurman im Sudan und Kamerun. kos

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