Phänomen aus einem anderen Jahrtausend

New York · Sie hat noch gegen Steffi Graf gespielt. Vor 19 Jahren stand sie erstmals in einem Grand-Slam-Finale. Jetzt hat Venus Williams bei den US Open nacheinander Julia Görges und Laura Siegemund bezwungen.

Bei ihrem US-Open-Debüt im Jahr 1997 erreichte sie als ungesetzte Spielerin sensationell das Finale gegen Martina Hingis . Ihren ersten Grand-Slam-Titel feierte sie vor 16 Jahren im Wimbledon-Finale gegen Lindsay Davenport . Die 18. US Open sind ihr 72. Grand-Slam-Turnier. Keine Spielerin in der Geschichte des Profi-Tennis trat häufiger bei einem der vier Major-Turniere an. Venus Williams darf man ohne jede Übertreibung als Phänomen bezeichnen. Und mit 36 Jahren hat die älteste Spielerin in New York jetzt souverän das Achtelfinale erreicht. In der ersten Runde gab sie zwar einen Satz ab, dann schickte sie nacheinander die bemitleidenswerten Deutschen Julia Görges (6:2, 6:3 in Runde zwei) und Laura Siegemund (6:1, 6:2 in Runde drei) nach Hause.

"Sie hat wunderschön ihr Ding runtergespielt", sagte Siegemund nach der 78-minütigen Lehrstunde. Die Schwäbin ist als Weltranglisten-27. mit Abstand die klare deutsche Nummer zwei hinter Angelique Kerber , war gegen die Wucht und Präzision ihrer Kontrahentin aber chancenlos. "Ich habe nicht so schlecht gespielt, aber dann kommt einfach immer ein unfassbarer Ball zurück", sagte Siegemund: "Wenn sie so spielt wie heute, ist es extrem schwer, etwas dagegen zu machen."

Dass Venus Williams überhaupt noch Tennis spielt, ist schon erstaunlich genug. Dass sie ihrem Beruf aber mittlerweile wieder fast so erfolgreich nachgeht wie im vergangenen Jahrzehnt, ist phänomenal. In der Weltrangliste ist sie die Nummer sechs, in Wimbledon unterlag sie erst im Halbfinale Angelique Kerber . Bei den Olympischen Spielen gewann sie Silber im Mixed. Und das, obwohl sie seit einigen Jahren am Sjögren-Syndrom leidet, einer Autoimmunkrankheit, die zu Gelenkschmerzen und Müdigkeit führt.

"Ich spiele im Moment zu gut, als dass ich ans Aufhören denken könnte", sagte sie nach ihrem Erstrunden-Sieg gegen die Ukrainerin Katherina Koslowa. Tatsächlich sorgt die fünfmalige Wimbledon-Siegerin und zweimalige US-Open-Gewinnerin in diesen Tagen nicht nur wegen ihres bunten Blumenkleidchens für Aufsehen. "Ich freue mich über jeden Sieg. Ich bin immer auf der Suche nach Perfektion", sagte die 36-Jährige und nannte den Sieg gegen Siegemund "unkompliziert, aber nicht perfekt". Sie arbeite an der Perfektion.

Diese Einstellung hat Venus Williams 49 Titel im Einzel, ein Preisgeld von 34 Millionen US-Dollar und weltweiten Respekt beschert. Im Achtelfinale wartet nun die zwölf Jahre jüngere Tschechin Karolina Pliskova. Auf ihre jüngere Schwester Serena könnte Venus erst im Halbfinale treffen. Serena liefert sich in New York ein Duell um die Spitze der Weltrangliste mit Angelique Kerber , die in der Nacht zu heute auf die zweimalige Wimbledon-Siegerin Petra Kvitova aus Tschechien traf. Sollten beide das Finale erreichen, ist die Siegerin die Nummer eins der Welt. Alexander Zverev passen Belag und Termin nicht, Dustin Brown ist die Einzel-Karriere wichtiger, Philipp Kohlschreiber droht verletzt auszufallen: Mit einer B-Mannschaft müssen die deutschen Tennis-Herren den Abstieg aus der Davis-Cup-Weltgruppe vermeiden. Trotz eines letzten Überredungsversuchs durch Kapitän Michael Kohlmann bei den US Open in New York blieb Zverev bei seinem Nein zu einem Einsatz für die deutsche Auswahl. "Leider hat er mir gestern Abend abgesagt", teilte Kohlmann am Samstag mit.

Anstatt öffentliche Vorfreude auf die Relegationspartie gegen Polen in zwei Wochen in Berlin zu schüren, sorgen wieder einmal Querelen für Schlagzeilen. "Das ist jetzt so eine Partie, die auch zeigt, was manche Spieler vielleicht vom Davis-Cup halten. Das ist schade zu sehen", sagte Kohlmann und kündigte an, "alles aufzuarbeiten" und sich dann mit dem Präsidium des Deutschen Tennis-Bundes zusammenzusetzen.

Kohlmann muss bis morgen eine Mannschaft nominieren. Gesetzt sind Florian Mayer und Jan-Lennard Struff. In Frage kommen zudem Daniel Brands, der Mettlacher Benjamin Becker oder der erst 21 Jahre alte Maximilian Marterer.

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