Turnen Pauline Schäfer ist bereit für den Neustart

Stuttgart · Die 22-Jährige aus Bierbach, Weltmeisterin 2017 am Schwebebalken, hat für 2019 klare Ziele. Beim DTB-Pokal will sie sich wieder zeigen.

 Nach langer Verletzungspause ist Turn-Star Pauline Schäfer aus Bierbach wieder fit. Für die EM im April in Polen gilt sie als gesetzt. 

Nach langer Verletzungspause ist Turn-Star Pauline Schäfer aus Bierbach wieder fit. Für die EM im April in Polen gilt sie als gesetzt. 

Foto: dpa/Marijan Murat

Sie war lange weg gewesen. Viel länger, als Pauline Schäfer es ahnen konnte, nachdem sie sich bei der ersten Qualifikation zur Weltmeisterschaft in Doha im September bei einem gestreckten Doppelsalto am Boden den Fuß verletzt hatte. Zwar griff die 22-jährige Kunstturnerin aus Bierbach bei den nationalen Titelkämpfen wenig später in Leipzig noch einmal zu den Holmen. Doch der Stufenbarren ist nicht ihr Paradegerät. Die Übung ging daneben, und da das angeknackste Sprunggelenk sowieso noch nicht wieder voll belastbar war, flog die Nationalmannschaft ohne eine ihrer Leistungsträgerinnen im Oktober zur WM nach Katar.

Vor dem Fernseher sah die Schwebebalken-Spezialistin zu, wie die Chinesin Liu Tingting ihr die Krone abnahm, die sie ein Jahr zuvor im kanadischen Montréal so überraschend gewonnen hatte. „Das war natürlich nicht optimal“, sagt Schäfer vier Monate später. „Aber ich habe nicht lange getrauert“, das bringe einen nicht voran: „Es war besser, dass das damals passierte.“ Und nicht in diesem Jahr, in dem vom 4. bis 13. Oktober in Stuttgart die Heim-WM wartet, bei der es für das Team des Deutschen Turner-Bundes (DTB) auch um die Olympia-Tickets für 2020 geht.

Rechtzeitig zum DTB-Pokal an diesem Wochenende an gleicher Stelle hat sich die Sportsoldatin im Wettkampfgeschehen zurückgemeldet. Bei der Team Challenge führt sie eine Riege aus international erfahrenen und Nachwuchsathletinnen an. Der Rahmenwettbewerb des Weltcups beginnt am heutigen Freitag (10 Uhr) mit der Qualifikation für das Finale der besten vier Mannschaften am Samstag (17 Uhr).

Die Wettkämpfe in der Porsche-Arena stellen auch den letzten Test vor den Einzel-Europameisterschaften vom 10. bis 14. April in Stettin dar. Schäfer gilt als gesetzt. Bei der ersten Qualifikation hatte sie mit 14,05 Punkten am Balken auch ohne den nach ihr benannten Seitwärtssalto mit halber Schraube die Voraussetzungen für einen Start an diesem Gerät erfüllt. Doch in Polen will sie auch die Bodenfläche betreten.

Bis Ende 2018 hatte sie noch keine Sprünge machen dürfen. Im Fuß „war viel eingerissen und eine Menge Flüssigkeit“. Bis heute spürt sie die Folgen. „Aber er macht erst mal sein Ding“, sagt Schäfer.

So scheint alles bereit für den Neustart auf internationaler Bühne. Auch in Chemnitz, wo die Saarländerin seit sieben Jahren lebt und trainiert. Die neue kleine Kunstturnhalle im Sportforum wurde kürzlich eingerichtet. Der Ausflug zu den Männern, bei denen die Frauen zuletzt Boden und Sprung übten, endet für die Freundin von Flugkünstler Andreas Bretschneider aber nicht. Seit der Trennung von Trainerin Gabi Frehse, die bei den sächsischen Turnerinnen die Regie führt, kümmern sich gleich mehrere Fachkräfte um die Topathletin, wobei Teamchefin Ulla Koch die Fäden in der Hand hält. „Ich wurde schon nach 2016 am Barren und am Balken von anderen Trainern betreut“, sagt die Olympia-Teilnehmerin von Rio. Frehse habe sich mehr um die Juniorinnen gekümmert. An den beiden anderen Geräten profitiere sie jetzt von den Männern, „die haben deutlich mehr Ahnung von Sprüngen“.

Die Störungen im Verhältnis zu Frehse waren erstmals bei der EM im Sommer 2018 in Schottland zu spüren, wo Schäfer im Balkenfinale auf dem Weg zu Edelmetall ausrutschte. Laut Frehse teilte man nicht mehr die gleichen Ansichten über die Gestaltung des Trainings und die Inhalte. Sie trainiere jetzt „smarter“, betont die Sportlerin, lasse die eigene Erfahrung in die Pläne einfließen. Zudem habe sie nicht mehr so viel Zeit und muss sich diese genau einteilen, da sie an drei Tagen in der Woche ab 16 Uhr die Schulbank drückt, um im Frühjahr 2020 ihr Abitur in der Tasche zu haben.

Ihre Motivation sei allerdings ungebrochen. Nach dem WM-Titel fiel es der plötzlich von vielen Seiten Begehrten anfangs nicht leicht, in den Alltag zurückzukehren. Um möglichst viele Anfragen zu befriedigen, hatte Schäfer sich erst einmal eine Auszeit genommen. Aber irgendwann rief wieder die Routine. Ans Aufhören dachte sie nie. Ihre fünf Jahre jüngere Schwester Helene, die 2013 ins Sportinternat folgte, sorgt für zusätzlichen Antrieb. „Ich versuche, sie zu pushen“, erklärt die Ältere. Auch die Junioren-EM-Teilnehmerin hat eine schwere Phase hinter sich. Im Februar 2018 wurde sie an der Hüfte operiert. „Jetzt ist sie wieder auf einem guten Weg“, sagt Pauline Schäfer. Die Geschwister helfen und unterstützen sich gegenseitig.

Auf die WM im eigenen Land freut sich Pauline Schäfer besonders. „Ich werde alles dafür tun, um dabei zu sein.“ Nicht nur, weil das turnaffine Publikum in Stuttgart das bei der letzten Auflage 2007 unter anderem Reck-Gold für Fabian Hambüchen, aber auch die erste Olympiaqualifikation der Frauen seit 1992 feiern konnte, beste Atmosphäre verspricht. Auch sonst sollten die Bedingungen bestens sein. „Es gibt also nichts, was einem erneuten Podestplatz widerspricht“, sagt sie. Vorausgesetzt, die eigene Leistung stimmt.

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