Paris stresst alle – auch unsere Mannschaft

Pariser gelten als unhöflich. Das ist zwar ein Klischee, aber eines, das durchaus zutreffe, wie mir meine Pariser Freunde erklären. Ich kann das schwerlich beurteilen, aber kann erahnen, woher das kommt: Stress . Diese Stadt ist ein Zeitfresser, eine Weltmetropole, die dich nie in Ruhe lässt. Zwölf Millionen Menschen sind hier täglich unterwegs. Zwölf - um es noch mal zu schreiben.

Wenn dir einer das Taxi vor der Nase wegschnappt, wenn die Bedienung im Café einen ignoriert, wenn in der Metro gedrängelt und gestupst wird - all das stresst. Auf dem Fußgängerweg nicht wirklich voran zu kommen. Wenn die Restaurants superteuer sind, wenn 58 Quadratmeter 1400 Euro kalt kosten. Wenn an jeder Ecke Polizisten stehen, weil an jeder Ecke die Gefahr lauern könnte. Das stresst. Das nervt, das kann Menschen unhöflich wirken oder gar werden lassen.

Die deutsche Mannschaft hat damit auch zu kämpfen. Mit unhöflichen Menschen, die sich ihnen in großer Anzahl in den Weg stellen. Vornehmlich in der Abwehr. Ständig mauern die Gegner ihre Tore zu. Da fällt es natürlich schwer, sich mit einem Lächeln durchzuschlängeln. Jeder taktiert, ist nur auf seinen Vorteil bedacht, da spielt die Freundlichkeit, das Schöne im Spiel keine Rolle mehr. Aber das ist jetzt nicht nur ein Problem, mit dem die deutsche Mannschaft zu kämpfen hat. Das ist ein Problem des Fußballs bei dieser EM. Er wirkt derzeit sehr gehetzt, zu sehr von Taktik geprägt, die Leidenschaft nur im Verteidigen zulässt und den Schöngeistern das Spiel verleidet. Daher ist es vielleicht ganz gut, dass die Deutschen nun wieder auf das tiefblaue Wasser des Genfer Sees schauen können. Das beruhigt - und lässt sie vielleicht auf eine Idee kommen, wie sie bei ihrem nächsten Paris-Besuch mit all dem Stress besser umgehen können.

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