Formel 1 Papa zahlt, der Sohn fährt hinterher

Montreal · Der Kanadier Lance Stroll steht bei seinem Heimrennen am Sonntag im Fokus. Der 19-Jährige ist ein Bezahlfahrer.

 Der Kanadier Lance Stroll bestreitet an diesem Sonntag sein Heimrennen. Der 19-Jährige hat Talent, wäre aber ohne das Geld seines Vaters wohl nicht in der Formel 1.

Der Kanadier Lance Stroll bestreitet an diesem Sonntag sein Heimrennen. Der 19-Jährige hat Talent, wäre aber ohne das Geld seines Vaters wohl nicht in der Formel 1.

Foto: dpa/Xavier Bonilla

Lewis Hamilton (33) ist mit vier WM-Titeln und als aktueller Spitzenreiter ein globaler Superstar der Formel 1 – gefolgt von dem ebenfalls viermaligen Champion Sebastian Vettel (30). Aber haben Sie schon mal in der Formel 1 den Namen Lance Stroll (19) gehört?

Der Kanadier ist im exklusiven Kreis der weltbesten Kreisfahrer etabliert. Ein attraktiver Sonnyboy, mit dem sich über Gott und die Welt unterhalten lässt. Aufgeschlossen, mit guten Manieren, ein Leichtgewicht mit 68 Kilo bei einem Gardemaß von 1,78 Meter Größe. Ledig, ein idealer Schwiegersohn, nach dem sich jede Mutter für ihre Tochter die Finger lecken würde. Und dank eines Milliardär-Papas auch gut betucht.

Trotz Papas Milliarden blieb Stroll ein Platz in einem Mercedes oder Ferrari verwehrt. Er pilotiert einen Williams. Der ehemals stolze und erfolgreiche britische Rennstall wurde seit seinem Debüt 1972 gelenkt und geführt von Frank Williams. Der Firmengründer führte auch nach seinem folgenschweren Autounfall 1986 als gelähmter „Rollstuhl-General“ seinen Rennstall fort. Neun Fahrer- und sieben Team-Titel bei 114 Siegen nach 747 Grand-Prix-Starts stehen zu Buche. Der letzte Triumph, eingefahren von dem Venezolaner Pastor Maldonado, datiert aus dem Jahr 2012. Seitdem haben es verschiedene Fahrer probiert, doch nix ist passiert.

Früher engagierte der drahtige Williams-Chef Größen wie Nelson Piquet, Nigel Mansell, Damon Hill und Alain Prost. Heute sieht die Williams-Welt komplett anders aus. Tochter Claire Williams (41) ist die Teamchefin. In diesem Jahr stellt das drittälteste Formel-1-Team die jüngste Fahrerpaarung im Feld. Stroll und der Russe Sergey Sirotkin sind zusammen 41 Jahre alt. Das sind nur drei Jahre mehr, als Ferrari-Veteran Kimi Räikkönen (38) auf dem Buckel hat. Stroll und Sirotkin sind mit je 26 Grand Prix vor dem Kanada-Rennen an diesem Sonntag (20.10 Uhr/RTL) auch eine der unerfahrensten Kombinationen.

Wird das Thema „Paydriver“ (Bezahlfahrer) angesprochen, versteht Stroll keinen Spaß. Ziemlich unmissverständlich gibt er zu verstehen: „Du brauchst zwei Dinge, um in meinem Sport nach oben zu kommen: Talent und Geld. Andere haben Sponsoren, ich habe meinen Vater. Was ist daran falsch? Mein Vater hat die Möglichkeiten geschaffen, aber ich musste sie einlösen. Mein Vater fährt nicht das Auto.“

Der Kanadier, geboren in Montreal, hatte die Superlizenz früher als seinen Führerschein. Nur bei Red-Bull-Pilot Max Verstappen ging es noch schneller. Der Vater des Niederländers, Jos Verstappen, war ein ehemaliger Formel-1-Pilot, kannte sich im Haifischbecken bestens aus. Vater Lawrence Stroll, ein Hobby-Rennfahrer, investierte sein Geld als Mode-Magnat maximal gewinnbringend in Modefirmen. Und in die Motorsport-Karriere seinen Filius. Das US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ schätzte vor einem Jahr Papa Strolls Vermögen auf 2,4 Milliarden Dollar. Stroll junior kommt zu dem Fazit: „Wenn du deinen Helm aufhast, spielt es keine Rolle, woher du kommst. Dann zählen nur noch Talent, Arbeit, Wille und Ehrgeiz.“

Schon in seinem Premierejahr 2017 ließ der junge Stroll sein Talent aufblitzen. In seinem achten Rennen fuhr er in Baku/Aserbaidschan erstmals aufs Podium: Platz drei und 15 Punkte. Seinen ersten Heim-Grand-Prix in Montreal beendete er als Neunter – zwei WM-Punkte. Am Saisonende war er mit 40 Punkten WM-Zwölfter – nur einen Platz hinter seinem erfahrenen Teamkollegen Felipe Massa (43 Punkte). Aktuell liegt Stroll nach sechs Saisonrennen mit vier Zählern (Platz acht in Baku) auf WM-Rang 16.

Was Stroll nicht kennt, sind Selbstzweifel. „Ich habe mir und der Welt bewiesen, dass ich Rennen und Meisterschaften gewinnen kann. In der Formel 1 musste ich mich anpassen und reinwachsen“, sagte er. In dieser Saison will er das Maximum aus dem Williams herausholen. Um seinen Arbeitsplatz braucht Stroll nicht bange zu sein. Dass er aussortiert wird, ist unwahrscheinlich – auch wenn er hinterher fährt. Motto: Wer (be)zahlt, bestimmt. Papa Lawrence buttert schließlich zwischen 35 und 40 Millionen Euro in den Rennstall. Eine Spitze konnte sich daher Strolls Landsmann Jacques Villeneuve nicht verkneifen. „Williams hat seine Seele an Stroll verkauft, der nur eines im Sinn hat: seinen Sohn zu stärken. Es ist traurig, was aus dem Team geworden ist.“ Der Weltmeister von 1997 ist der letzte Williams-Champion.

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