Leichtathletik-WM in London „Pam“ ist endlich selbstbewusst

London · Pamela Dutkiewicz tritt als Europas beste Hürdensprinterin bei der Weltmeisterschaft in London an.

 Schneller als Pamela Dutkiewicz aus Wattenscheid lief in diesem Jahr keine Europäerin über die 100 Meter Hürden.

Schneller als Pamela Dutkiewicz aus Wattenscheid lief in diesem Jahr keine Europäerin über die 100 Meter Hürden.

Foto: imago/Chai v.d. Laage/Gladys Chai von der Laage

Pamela Dutkiewicz lag am Boden, als ihr Höhenflug begann. Vor zweieinhalb Jahren knickte die Hürdensprinterin beim Auslaufen nach der Hallen-DM so unglücklich um, dass in beiden Sprunggelenken sämtliche Bänder rissen. „Ich erinnere mich an ein Bild, wie ich auf der Bahn liege, wie viele Kilos da zu viel liegen“, sagte die 25 Jahre alte Wattenscheiderin: „Das hat sich in meinen Kopf gebrannt. Aber das war mein Segen – weil ich endlich Zeit hatte.“

Wenn Dutkiewicz, derzeit Europas Beste, bei der WM in London heute (11.45 Uhr/ARD und Eurosport) zum Vorlauf antritt, setzt sich eine überaus bemerkenswerte Geschichte fort. Sie handelt von einer jungen Frau, die unter ihrem Körper litt. Sie handelt davon, wie sich diese junge Frau in einem langen Kampf von der als „Pummel-Pam“ geschmähten Läuferin zur Modellathletin wandelte, Frieden mit sich schloss.

Und Dutkiewicz hat sie aufgeschrieben. „Ich habe den Eindruck, dass das Gewicht die Universalantwort war, wenn es nicht gut lief“, erzählte sie in einem Beitrag auf dem Blog „Wortathleten“: „Du konntest ja auch nicht schneller laufen, du bist ja zu schwer, hieß es.“ Dutkiewicz hörte, wie ein Betreuer sie „die Pummelige“ nannte: „Das hat mich unfassbar getroffen und ist bis heute in meinem Kopf.“

Dabei war Dutkiewicz verflucht schnell, 2010 die drittbeste U20-Athletin der Welt. Aber auch eher ein Kraftpaket, keine sehnige, gertenschlanke Sprinterin. Kompakt würde man sie im normalen Leben nennen, sie selbst fühlte sich dick, unwohl, berichtete von Heißhunger­attacken, dem täglichen Kampf mit sich selbst. „Ich war immer vorne dabei, hatte aber trotzdem immer Schiss, was für ein Foto in die Zeitung kommt“, sagte sie: „Im Stadion zu stehen und sich zu wundern, ob der Speck irgendwo rausguckt, hat mir den Fokus genommen.“

Das zog sich bis zu jenem Tag im Februar 2015, als sie mit gerissenen Bändern in der Karlsruher Messehalle lag. „Ich hatte sechs Monate Zeit und habe mich in einer Klinik komplett durchchecken lassen“, sagte Dutkiewicz: „Da kam raus, dass eigentlich alles in Ordnung ist. Ich war super enttäuscht, weil wieder ein Strohhalm, an den ich mich klammerte, zerbrochen war.“ Auf dem Tiefpunkt vermittelte eine Ärztin den Kontakt zu Mark Warnecke, Weltmeister im Brustschwimmen, Mediziner, Ernährungsberater. Mit ihm drehte Dutkiewicz alles auf links – und hatte Erfolg. „Mittlerweile sind zehn Kilo runter“, sagte sie: „Ich habe nie gedacht, dass man bei mir mal Bauchmuskeln sehen würde. Endlich bin ich selbstbewusst, wenn ich auf der Bahn stehe.“

Dieses Selbstbewusstsein hat sie zur Medaillenkandidatin für London gemacht. Und daran wird Dutkiewicz auch heute vor ihrem Vorlauf denken. „Jetzt steht da halt eine komplett andere Pam – der Kampf dafür ging lange: ganze neun Jahre.“

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