Otternasen, viel Fleisch und ein bisschen Tischtennis

Limbach. 9 Uhr am Frankfurter Flughafen. Den Kopf auf die Arme gestützt, fallen Lee Chia-Sheng wieder die Augen zu. Nein, so richtig hat er sich an die Zeitumstellung zwischen Taiwan und Europa nie gewöhnen können. In zwei Stunden geht sein Flug zurück nach Taipeh, der Hauptstadt Taiwans. Es ist der Schlusspunkt seines zweiwöchigen Aufenthalts beim Tischtennis-Regionalligisten TV Limbach

Limbach. 9 Uhr am Frankfurter Flughafen. Den Kopf auf die Arme gestützt, fallen Lee Chia-Sheng wieder die Augen zu. Nein, so richtig hat er sich an die Zeitumstellung zwischen Taiwan und Europa nie gewöhnen können. In zwei Stunden geht sein Flug zurück nach Taipeh, der Hauptstadt Taiwans. Es ist der Schlusspunkt seines zweiwöchigen Aufenthalts beim Tischtennis-Regionalligisten TV Limbach.

Als gerade 15 Jahre alt gewordener Taiwanese und größtes Tischtennistalent in Asien außerhalb Chinas geht damit für ihn ein großes Abenteuer zu Ende. Ohne Deutschkenntnisse und mit nur ein paar Brocken Englisch angereist, musste sich Lee in einem ihm völlig fremden Kulturkreis zurechtfinden. Doch nicht nur für ihn, sondern für die gesamte Limbacher Mannschaft geht damit ein kleines Abenteuer zu Ende. "Das waren zwei Wochen außerhalb des Alltagstrotts. Es war logistisch schon eine große Herausforderung, ihn neben der Arbeit Tag und Nacht zu betreuen", sagt der Limbacher Kapitän Marco Schmitt. So kam es dann auch, dass Lee immer in "Dreitages-Portionen" bei seinen Mitspielern untergebracht wurde und er so nicht nur das Saarbrücker WG-Leben kennenlernte.

Meeres-Algen zum Knabbern

Ein besonderes Lieblingsthema war das Stichwort "Essen": Lee brachte in seinem überdimensionalen Reisekoffer für den europäischen Geschmack eher schwer zugängliche taiwanesische Köstlichkeiten mit ins Saarland: Meeres-Algen zum Knabbern, äußerlich getrockneten Otternasen ähnelndes Trockenfutter. Und taiwanesische Snacks, die in der WG die immer noch ungeklärte Frage aufwarfen, ob es nun Chips oder Suppennudeln sind. Ironischerweise schien er immer genau den Moment abzupassen, in dem wir uns über die Ungenießbarkeit erheiterten, um uns einen weiteren Teil seiner Mitbringsel zuzustecken.

In den zwei Wochen aß er gefühlte zehn Kilo Fleisch (Lieblingssatz: "I am hungry!"), davon geschätzte sechs Kilogramm Cordon Bleu. Nachdem ich ihm mit meinen, sagen wir, ausbaufähigen Kochkünsten zum Cordon Bleu noch Bandnudeln mit Fertigpesto-Sauce kredenzte, sprach er mich nie wieder mit meinem Vornamen, sondern nur noch mit "Good Cook" an. Und wollte dann in der Regel mehr Fleisch.

Lee schien, je weniger er schlief, umso besser Tischtennis zu spielen. Die Nacht nutzte er zu acht Stunden Computerspielen und zu einer Stunde Schlaf. So muss er sich wohl die nötige Energie für seine überzeugenden Tischtennis-Auftritte bei den Regionalligaspielen beim 30-minütigen Nickerchen auf der Fahrt zu den Spielen von Saarbrücken nach Limbach geholt haben. Auf der saß er wie tot (seine Schlafstellung machte uns anfangs tatsächlich Sorge) auf der Rückbank des Autos. Egal, ob mit oder ohne Schlaf: Lee bestätigte bei seinen Auftritten im Limbacher Dress die großen Hoffnungen, die Taiwan in ihn hegt.

Krachende Vorhand

Eine krachende Vorhand und spektakuläre Ballwechsel werden den saarländischen Tischtennisfans im Gedächtnis bleiben und das, obwohl er in den zwei Wochen in Deutschland nicht gerade vor Trainingsehrgeiz sprühte. Kommentar der saarländischen Landestrainerin Yang Ying: "So eine unprofessionelle Trainingseinstellung hab' ich bei einem Asiaten mit Profi-Ambitionen noch nie gesehen." Es kann allerdings sein, dass er seine Zeit beim TV Limbach auch als Urlaub vom rauen taiwanesischen Trainingsdrill sah, wo er täglich neben der Schule vier bis sieben Stunden trainieren muss.

Zurück zum Flughafen: Kurz vor dem Abflug fallen dem 15-Jährigen nach zweiminütiger Wachphase wieder die Augen zu. Vielleicht haben ihm die morgendlichen Fleischkäse-Weckchen, von denen er nie genug bekommen konnte, so gut gefallen, dass die Saarländer ihn in der Rückrunde noch mal für ein paar Spiele zurückholen können.

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