Ohne sportlichen Wert

Nizza · Wenn an diesem Sonntag in Nizza die EM-Qualifikationsgruppen ausgelost werden, bleibt die Spannung auf der Strecke. Das aufgeblähte Teilnehmerfeld verwässert den Wettbewerb, die deutsche Auswahl muss keine schweren Gegner befürchten.

Côte d'Azur, Staraufgebot, neuer Modus, neue Vermarktung, neuer TV-Sender - doch das ganze Brimborium um die Auslosung der EM-Qualifikation an diesem Sonntag (12 Uhr/Eurosport) in Nizza kann nicht darüber hinweg täuschen, dass für die Top-Nationen Langeweile auf dem Weg zur Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich programmiert ist. "Der Wettbewerb wird sicher nicht interessanter. Es gibt eine gefühlte Verwässerung", sagte Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff mit Blick auf die zehn Partien zwischen September 2014 und Oktober 2015.

Die Skepsis Bierhoffs kommt nicht von ungefähr. Die Aufblähung des Endrunden-Teilnehmerfelds von 16 auf 24 Mannschaften nimmt der Qualifikation jede Spannung. Für die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wird es nur darum gehen, wie früh sie sich für das Turnier vom 10. Juni bis 10. Juli qualifiziert. Schließlich schaffen es in den neun Qualifikationsgruppen die ersten beiden Teams und sogar noch der beste Gruppendritte direkt zur Endrunde. Die restlichen acht Gruppendritten spielen in Playoffs weitere vier EM-Teilnehmer aus. Somit qualifizieren sich 24 von 54 Ländern.

Dem DFB drohen folglich am Ende der Qualifikation Partien ohne sportlichen Wert. Ob "Freundschaftsspiele" die großen Arenen füllen werden, ist mehr als fraglich. Bierhoff teilt diese Bedenken. "Wichtig ist, dass das Produkt interessant und gut bleibt", äußerte der Europameister von 1996, der lediglich möglichen Personal-Experimenten für Bundestrainer Joachim Löw oder dessen Nachfolger etwas Positives abgewinnen kann.

Diese Chance wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geben. Da Deutschland in Topf 1 gesetzt ist, verbreiten selbst die schwerstmöglichen Gegner (Schweden oder die Schweiz aus Topf 2, die Türkei oder Serbien aus Topf 3) nicht gerade Angst und Schrecken. Da ist es fast schon egal, wie die 13 ehemaligen Weltklasse-Torhüter (darunter Andreas Köpke, Dino Zoff, Fabian Barthez und Peter Schmeichel) unter Anleitung der Moderatoren Ruud Gullit und Bixente Lizarazu (früher Bayern München) losen werden. Die Teams aus den Töpfen 4 bis 6 dürften allesamt Punktelieferanten sein. Bierhoff versucht deshalb gar nicht erst, auf Spannung zu machen. "Da die Qualifikation für uns schon immer Pflicht war, ist sie jetzt erst recht Pflicht."

Immerhin darf sich der DFB aufgrund der neuen TV-Zentralvermarktung durch die Uefa auf mehr Einnahmen freuen. Zukünftig gibt es fünf statt der bisherigen vier Millionen Euro pro Spiel, zudem behält der Verband die Marketingrechte (Bandenwerbung). Neu sind auch die Spielpläne, die nun von der Uefa unter dem Motto "Nationalmannschafts-Wochen" erstellt werden. Von Donnerstag bis Dienstag werden jeweils acht bis zehn Partien pro Tag stattfinden, feste Spieltage gibt es nicht mehr. Damit will die Uefa den Fernsehsendern an jedem Tag mindestens ein Top-Spiel bieten.

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HintergrundDie Spiele der deutschen Mannschaft in der Qualifikation für die EM 2016 werden von RTL übertragen. Der Privatsender setzte sich (wie auch bei der Qualifikation zur WM 2018 in Russland) gegen die Platzhirsche von ARD und ZDF durch. Wegen der bestehenden TV-Verträge wird Deutschland in jedem Fall in eine der acht Sechsergruppen gelost. Gastgeber Frankreich füllt die einzige Fünfergruppe auf und dient den Teams als Testspielgegner an ihren eigentlich spielfreien Terminen. Die Fünfergruppe ist auch der Grund dafür, dass am Ende der Qualifikation die Spiele in den Sechsergruppen gegen die Tabellenletzten nicht gewertet werden. Nur so ist der beste Gruppendritte ohne ein verzerrtes Bild zu ermitteln. sid

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