Turn-Star Schäfer im Dauerstress Oft in den Händen, noch nicht im Kopf

Cottbus · Pauline Schäfer, die Saarsportlerin des Jahres, hat ihren WM-Titel noch nicht verarbeitet. Am Wochenende geht es wieder um Gold.

 Pauline Schäfer holte bei der WM in Montreal Gold auf dem Schwebebalken für das deutsche Team.

Pauline Schäfer holte bei der WM in Montreal Gold auf dem Schwebebalken für das deutsche Team.

Foto: dpa/Paul Chiasson

Die erste Reaktion auf die direkte Frage ist ein kraus gezogenes Näschen, erst dann kommt Pauline Schäfers Antwort. „Weltmeisterin zu sein, das fühlt sich immer noch ein bisschen unwirklich an“, sagt die Saarländerin ein wenig zögerlich. Vor sieben Wochen hatte sich die 20-Jährige in Montreal zur Königin am Schwebebalken gekrönt und deutsche Turn-Geschichte geschrieben. Seither ist im Leben der Turnerin wenig so wie vorher.

Die Live-Schalte am Sonntagabend aus Cottbus nach Saarbrücken zur Ehrung als Saarsportlerin des Jahres war da schon fast Normalität. Denn dieser Titel ging bereits zum dritten Mal an die Athletin aus Bierbach, die seit Jahren in Chemnitz lebt. Die Gala in der Multifunktionshalle der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken musste sie wegen ihres Starts beim Turnier der Meister in Cottbus sausen lassen, dabei war die Veranstaltung auch ohne Schäfer fest in Turner-Hand. Die TG Saar holte den Titel als Mannschaft des Jahres, TG-Saar-Star Oleg Wernjajew wurde bei den Männern hinter Rennfahrer Timo Bernhard Zweiter.

Die Wahl von Schäfer war angesichts des WM-Titels von Montreal alles andere als überraschend. „Das bedeutet mir sehr viel. Auch wenn ich in Chemnitz lebe, in meinem Herzen bin und bleibe ich Saarländerin“, sagte Schäfer gleichermaßen gerührt wie routiniert. Andere Anforderungen abseits der Wettkämpfe sind neu: Zahlreiche Autogrammstunden, die Sportlerwahl-Gala im Dezember in Baden-Baden – einiges an Lebenszeit hat sich aus der Trainingshalle heraus verlagert, auf rote Teppiche und vor TV-Kameras. Umso glücklicher war die Sportsoldatin über Rang zwei am Schwebebalken und einen dritten Platz am Boden beim Weltcup-Turnier in Cottbus: „Das war ein schöner Abschluss für mich. Es ist schon cool, dass ich das schaffen konnte. Auch mit weniger Training als sonst üblich.“

Gestern rückte die deutsche Bodenmeisterin zu einem Bundeswehrlehrgang in Warendorf ein, eine nicht unwillkommene Abwechslung in derzeit hektischen Zeiten. Viel hat sich für Pauline Schäfer geändert, eines allerdings zu ihrem Leidwesen nicht: „Ich bin immer noch so aufgeregt, wenn ich ans Gerät gehe. Da macht auch meine Goldmedaille keinen Unterschied.“

Aber allein durch gelegentliches In-die-Hand-Nehmen hilft Schäfer die Plakette in Form eines Bagels, den bislang größten Erfolg ihrer sportlichen Laufbahn mehr und mehr zu verinnerlichen. „Ich sehe sie nicht nur als Auszeichung für mich, sondern auch als Anerkennung für das Turnen in Deutschland“, sagt sie mit einer partiellen Selbstlosigkeit.

Auch am kommenden Samstag, wenn sich die deutsche Turn-Familie beim großen Finale der Deutschen Turn-Liga in Ludwigsburg trifft, wird Schäfer wieder im Mittelpunkt stehen. Gemeinsam mit Schwester Helene startet sie für die TG Karlsruhe-Söllingen – und kämpft gegen den Topfavoriten MTV Stuttgart, die TG Mannheim und die TSG Steglitz um Gold. Im Anschluss tritt die TG Saar gegen die KTV Straubenhardt mit Schäfers Freund Andreas Bretschneider an. Ihn hatte sie vor zwei Wochen beim Gastspiel in Dillingen lautstark unterstützt. Straubenhardt siegte mit 40:24. Und Schäfer freute sich über eine Ehrung aus den Händen von Klaus Meiser, Präsident des Landessportverbandes für das Saarland, und Franz Josef Kiefer, Präsident des Saarländischen Turner-Bundes.

Am 22. Dezember kehrt die Wahl-Sächsin nach Hause ins Saarland zurück, zehn Tage lang will Schäfer durchatmen, entspannen, bei Familie und Freunden die Beine hochlegen und Rückschau halten auf die turbulentesten Monate ihrer Karriere: „Diese Zeit nehme ich mir einfach.“ Bis zum 2. Januar, dem nächsten Lehrgang. Diesmal aber wieder in der Turnhalle.

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