Özil - gefragt und gefordert

Berlin. Nicht nur Multi-Kulti, sondern auch Multi-Talent: Als bei der Pressekonferenz die Technik versagt, ist Mesut Özil als Dolmetscher gefragt. Sicher übersetzt der Ballzauberer die Fragen türkischer Reporter an Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff. Die gepriesene Integration von Migranten-Kindern in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hatte gestern einen praktischen Nutzen

Berlin. Nicht nur Multi-Kulti, sondern auch Multi-Talent: Als bei der Pressekonferenz die Technik versagt, ist Mesut Özil als Dolmetscher gefragt. Sicher übersetzt der Ballzauberer die Fragen türkischer Reporter an Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff. Die gepriesene Integration von Migranten-Kindern in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hatte gestern einen praktischen Nutzen. Vor dem Europameisterschafts-Qualifikationsspiel gegen die Türkei morgen (20.45 Uhr/ZDF) ist Özil ohnehin ein gefragter Mann. Als Sinnbild des weltoffenen Deutschlands muss der 21-Jährige in unzähligen Interviews herhalten."Natürlich ist es ein besonderes Spiel, denn es geht gegen meine Freunde. Da bin ich besonders motiviert", sagt der Deutsch-Türke Özil. Die aufgeheizte Integrations-Debatte in Deutschland um Anpassung und Ausgrenzung scheint ihm fremd: "Für mich kam keine andere Nation infrage." Als Teil der dritten Migranten-Generation fühlt er sich im Gegensatz zu anderen Kindern türkischer Einwanderer komplett als Fußball-Deutscher. Seine Erfolgsgeschichte mit dem EM-Titel mit der U21 und der Teilnahme an der Weltmeisterschaft, die ihm den lukrativen Wechsel von Werder Bremen zu Real Madrid bescherte, dürfte das Gefühl verstärkt haben. Nur noch selten ist er als der schüchterne, blasse Junge zu erkennen - als der Özil, der vor 20 Monaten im deutschen Trikot debütierte. Auch damals verfolgt von Fragen zu Herkunft, Tradition, Zusammenhalt. Angst vor feindlich gesonnenen Reaktionen aus der Türkei hat er vor dem Länderspiel nicht. "Viele Freunde dort verfolgen meine Karriere, jetzt auch bei Real", sagt Özil, und erklärt: "Wir wollen unser Bestes geben und drei Punkte holen." Da war er wieder, der Junge aus Gelsenkirchen, der mit technischem Talent gesegnet ist und "nur Fußball spielen" will, unabhängig von Adler oder Halbmond auf der Brust.

19 Mal spielte Özil für Deutschland. Zwei Tore stehen zu Buche. Bundestrainer Joachim Löw hatte durch Überzeugungsarbeit großen Anteil daran, dass der Mittelfeldzauberer für Deutschland spielt - auch gegen Widerstände in dessen Familie. Sorge, dass Özil morgen dem Druck im Berliner Olympiastadion nicht standhält, hat Löw nicht: "Ich kenne ihn als Spieler, der mental gut ist. Er kann sich auf Situationen einstellen. Er wird sich dadurch nicht aus dem Rhythmus bringen lassen oder bedrückt fühlen." Sicher umkurvt Özil denn auch die Frage nach seinem Sangeseinsatz bei den Nationalhymnen: "Da bin ich fokussiert und konzentriere mich auf das Spiel." > Seite D 2: weitere Berichte zum Thema Fußball und Integration.

hintergrund

Die Nationalspieler genießen nach dem tollem Auftritt bei der Weltmeisterschaft in Südafrika eine größere Wertschätzung als je zuvor. Eine vom Deutschen Fußball-Bund in Auftrag gegebene Umfrage unter deutschen Fußball-Interessierten zwischen 14 und 69 Jahren ergab Spitzenwerte bei Mannschaftsgeist (96 Prozent) und Weltoffenheit (94). Sechs Akteure, darunter Philipp Lahm und der bei der WM verletzte Michael Ballack, waren allen bekannt. Solche Befragungen zur Nationalelf gibt es seit 2002. dpa

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