Nusshappen und Norweger

Düsseldorf. In der Bäckerei Hinkel am Belsenplatz in Düsseldorf-Oberkassel hatten die Angestellten schon zwei Stunden vor dem Anpfiff am Mittwoch "so eine Ahnung"

Düsseldorf. In der Bäckerei Hinkel am Belsenplatz in Düsseldorf-Oberkassel hatten die Angestellten schon zwei Stunden vor dem Anpfiff am Mittwoch "so eine Ahnung". Eine Verkäuferin, der von Statur und Gemüt Ähnlichkeit mit Comedian-Lady Hella von Sinnen bescheinigt werden kann, sagte mit rheinischem Idiom: "Zum Länderspiel wollen Sie, da nehmen Sie sich mal ordentlich Kalorien mit, wird bestimmt kalt." Recht hatte die Dame. Zwar war die geschlossene LTU-Arena auf 20 Grad geheizt, doch der Auftritt der deutschen Mannschaft beim nahezu historischen 0:1 gegen Norwegen ließ die meisten der 45 000 Zuschauer wahrlich frösteln. Entsprechend "tief enttäuscht" zeigte sich René Adler, der nun derjenige Torwart ist, der Norwegen das erste Länderspieltor seit mehr als drei Begegnungen ermöglichte. Und noch bitterer war der Abend für Michael Ballack. Nach seinem 90. Spiel im DFB-Dress konstatierte der Kapitän, die Mannschaft sei "zu langsam und zu behäbig" oder kurz "zu schlecht" gewesen. Diese treffende Analyse gewinnt noch an Bitterkeit, wenn man bedenkt, dass bei der zuvor letzten deutschen Pleite gegen Norwegen auf der Ehrentribüne noch ein Mann namens Adolf Hitler saß - 1936 war das, in Berlin bei den Olympischen Spielen; und Norwegen gewann seinerzeit 2:0. Am Mittwoch trafen die konterstarken Nordmänner immerhin nur einmal, und zwar in der 63. Minute: Das erste Länderspieltor des beim SC Heerenveen in Holland kickenden Christian Grindheim bescherte den Skandinaviern den ersten Sieg nach acht Spielen - und 15 Monaten. Auch, weil Norwegens Trainer Egil Olsen im Nachhinein preisgab, bereits vorher gewusst zu haben: "Die Deutschen kommen immer langsam in Gang." Erschreckend, aber wahr. Diesmal schaffen Jogis Jungs es gar in den gesamten 90 Minuten nicht, Fahrt aufzunehmen. Das gilt auch für die Debütanten Andreas Beck (TSG Hoffenheim), der nach der Pause eingewechselt wurde, sowie Mesut Özil (Werder Bremen), der sich elf Minuten auszeichnen durfte. Sie waren bemüht, wie die gesamte Mannschaft, aber auch nicht mehr. "Norwegen hat nicht unverdient gewonnen", sagte Bundestrainer Joachim Löw hinterher mit Recht. Irgendwie wirkten die deutschen Spieler, als hätten Sie in der Bäckerei Hinkel am Belsenplatz in Düsseldorf-Oberkassel vor der Partie alle Nusshappen gegessen. Das Taschenbuch-große Teil kostet 1,30 Euro und macht träge und behäbig. So ein Nusshappen hat aber auch Vorteile: Er ist das, was von diesem Mittwoch in guter Erinnerung bleibt. Meinung

Egoistisches Bemühtsein

Von SZ-Redakteur Michael Kipp Die erste Niederlage gegen Norwegen seit 1936 ist nicht nur eine historische, sie ist auch eine verdiente Schlappe. Das 0:1 zeigt, dass Bemühtsein nur dann erfolgreich ist, wenn es uneigennützig ist. Der Sieg für die Norweger war verdient, da sie bemüht waren. Geistig wie körperlich. Die Rumpftruppe spielte uneigennützig, konterte gut und ließ den Weltranglistenzweiten aussehen wie seine eigene Karikatur. Warum die Deutschen gegen den 59. der Weltrangliste so ein schlechtes Bild abgaben, lässt sich am Bemühtsein von Torsten Frings festmachen. Er hatte viele Ballkontakte, setzte sich so in Szene und vergaß dabei, Mitspieler in Szene zu setzen. Nicht nur Frings, die ganze Mannschaft spielte so. Auch das ist in Anbetracht der Vergangenheit ein historisches Egoisten-Ereignis und lässt hoffen, dass das Bemühtsein in den kommenden Spielen der Deutschen wieder uneigennützig - und damit erfolgreich sein wird.

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