Nur Tempo 30 statt 300 für Timo BernhardDer Titelverteidiger steht unter Strom

Saarbrücken. Eigentlich sollte Timo Bernhard ab heute mit Tempo 300 die langen Hunaudières-Geraden von Le Mans hinunter rasen. Doch stattdessen sitzt er in Saarbrücken im Kraftraum des Olympiastützpunkts und schwitzt auf dem Fahrrad. Tempo 30 statt 300. Zwei Stunden statt 24

 Audi möchte die Startnummer 1 verteidigen - und setzt dazu zwei verschiedene Modelle des R18 ein. Unser Foto zeigt das Hybrid-Auto. Der Toyota (dahinter) ähnelt stark dem Vorjahres-Peugeot. Foto: Audi

Audi möchte die Startnummer 1 verteidigen - und setzt dazu zwei verschiedene Modelle des R18 ein. Unser Foto zeigt das Hybrid-Auto. Der Toyota (dahinter) ähnelt stark dem Vorjahres-Peugeot. Foto: Audi

Saarbrücken. Eigentlich sollte Timo Bernhard ab heute mit Tempo 300 die langen Hunaudières-Geraden von Le Mans hinunter rasen. Doch stattdessen sitzt er in Saarbrücken im Kraftraum des Olympiastützpunkts und schwitzt auf dem Fahrrad. Tempo 30 statt 300. Zwei Stunden statt 24.Während für seine Kollegen das Training für die 24 Stunden von Le Mans beginnt, strampelt sich der Sieger von 2010 auf zwei Rädern ab. Bernhard kämpft darum, wieder fit zu werden - nach seinem Unfall.

Rückblick: 19. März, Sebring (USA). Nach seinem zweiten Platz beim Auftakt zur Langstrecken-WM absolviert Bernhard Testfahrten mit dem brandneuen Audi R18 ultra. Bei Tempo 270 bricht etwas am Auto. Schlagartig dreht sich der Audi - und knallt mit großer Wucht in die Leitplanken. "Es war die schnellste Stelle der Strecke", sagt Bernhard. Der Fahrer hatte nicht den Hauch einer Chance. Die Folge des Einschlags: Der vierte Halswirbel ist angebrochen.

Zweieinhalb Wochen Flugverbot

"Ich habe Glück gehabt", sagt Bernhard dennoch. Vom streckennahen Krankenhaus kommt der Homburger in eine Spezialklinik nach Tampa. "Die Ärzte dort haben entschieden, nicht zu operieren. Und diese Entscheidung war goldrichtig." In Deutschland wäre der Wirbel mit Schrauben und Platten versteift worden. Zweieinhalb Wochen muss Bernhard in den USA bleiben, hat Flugverbot.

Seit Ostern schwitzt er nun am Olympiastützpunkt in Saarbrücken bei Physiotherapeut Oliver Muelbredt für das Comeback. Jeden Tag. Ab 9 Uhr. Es ist ein spezielles Training für den Oberkörper und den Nacken. Anschließend geht's aufs Trimmrad.

"Toyota ist schnell"

65 Kilometer hat Bernhard abgespult, als er an diesem Morgen absteigt. Für Leistungssportler nichts Besonderes. Doch es geht nicht um Bestzeiten. Und deshalb muss Bernhard seinen Ehrgeiz zügeln. "Ich halte mich genau an die Anweisungen der Ärzte. Draußen darf ich noch nicht fahren - wegen der Sturzgefahr. Auch draußen zu laufen, geht noch nicht", erzählt er. Noch lange ist nicht alles so wie vorher. Wenn Bernhard zur Seite schaut, dreht er nicht nur den Kopf, sondern den ganzen Oberkörper. "Ich habe noch nicht die komplette Beweglichkeit", gibt er zu. "Aber es ist auch eine Sache des Kopfs. Ich hatte sieben Wochen ein Stützgestell an - in der Zeit musste ich mich so drehen." Dann sagt er wieder diesen Satz: "Ich habe Glück gehabt." Und fügt hinzu: "Ich bin froh: Es wird alles ausheilen. Die Ärzte hier sind überrascht, wie schnell ich wieder den Kopf bewegen konnte." Er profitiert davon, dass die Nackenmuskeln bei Rennfahrern wegen der hohen Fliehkräfte extrem gut trainiert sind.

Für einen Start in Le Mans aber reicht es nicht. Bernhard wird das Rennen nur am Fernseher verfolgen: "Mit viel Wehmut." Denn seine Chancen auf den Sieg waren nicht schlecht. Mit Peugeot hatte sich der größte Konkurrent von Audi, mit dem sich die Ingolstädter jahrelang heiße Herzschlag-Duelle geliefert hatten, im Januar Hals über Kopf zurückgezogen. Ob Rückkehrer Toyota beim ersten Auftritt seit 1999 das Tempo mitgehen kann, ist fraglich. "Audi ist der Favorit. Aber Toyota ist schnell", glaubt Bernhard: "Bei den letzten Testfahrten haben sie einige überrascht. Zumindest am Anfang des Rennens werden sie das Tempo mitgehen. Und es gab in der Historie auch immer wieder mal Neueinsteiger, die gleich beim ersten Rennen durchgefahren und weit vorne gelandet sind."

Timo Bernhard wird dagegen während des Rennens nur ein paar Trainings-Einheiten auf dem Trimmrad fahren. Weiter schwitzen für die Rückkehr, die unbedingt noch in diesem Jahr stattfinden soll. "Ich komme zurück, und ich werde stärker sein als vorher", sagt er bissig. Und dieser Satz ist nicht einfach so dahergesagt. "So viel wie in den letzten Wochen habe ich körperlich noch nie trainiert", erklärt der Homburger: "Ich werde richtig fit sein." Damit er endlich wieder mit Tempo 300 statt 30 unterwegs sein kann.Saarbrücken. Zwei Hersteller, drei Konzepte. Nachdem sich Dauerrivale Peugeot trotz eines fertig entwickelten Autos vom Rennen in Le Mans zurückgezogen hat, heißt das Duell in diesem Jahr Audi gegen Toyota.

Titelverteidiger Audi schickt dabei vier Autos mit zwei verschiedenen Antriebskonzepten an den Start: zum einen den R18 ultra, eine Weiterentwicklung des Vorjahresautos, zum anderen den R18 Hybrid. Neben dem 520 PS starken Sechszylinder-Diesel, der die Hinterräder antreibt, gibt es beim Hybrid-Modell noch einen Elektromotor an der Vorderachse. Beim Bremsen entstehende Energie wird in Strom umgewandelt und gespeichert. Beim anschließenden Beschleunigen leistet der Elektromotor zusätzlich 204 PS - reglementbedingt aber erst ab Tempo 120. Mit dem Hybrid-Auto feiert Audi auch die Rückkehr des Quattro-Antriebs. Die Ingolstädter hatten mit dem Allradkonzept in den 80er und 90er Jahren große Erfolge unter anderem in der DTM gefeiert. 1998 wurde der Antrieb aber vom Weltverband für die Rundstrecke verboten.

Auch Rückkehrer Toyota setzt auf Hybrid-Antrieb - allerdings treibt der Elektromotor hier die Hinterräder an. Optisch ähneln die beiden Toyotas stark dem letztjährigen Peugeot - und auch einige der Piloten kamen von Peugeot: etwa der als exzellenter Entwicklungsfahrer bekannte Alexander Wurz. Während Audi bereits in Spa ein Rennen mit dem R18 absolvierte, musste Toyota das Debüt wegen eines Testunfalls auf Le Mans verschieben. Trotz guter Rundenzeiten beim Vortest, wo Wurz die viertschnellste Rundenzeit fuhr, bleiben die Japaner bescheiden. "Wir wollen vor allem für 2013 lernen, bei Tests fuhren wir noch nie 24 Stunden problemlos", so Technikchef Pascal Vasselon. wip

Foto: Ruppenthal

"Ich habe Glück gehabt. Es war an der schnellsten Stelle der Strecke

passiert."

Timo Bernhard

über seinen Testunfall

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