Tennis Djokovics Ziele können nur noch historisch sein

Melbourne · In seiner derzeitigen Verfassung ist dem Weltranglistenersten alles zuzutrauen. Doch der Widerstand wird wieder wachsen.

 Novak Djokovic zeigt stolz seine Trophäe, den Norman Brookes Challenge Cup, für den Gewinn der Australian Open in Melbourne.

Novak Djokovic zeigt stolz seine Trophäe, den Norman Brookes Challenge Cup, für den Gewinn der Australian Open in Melbourne.

Foto: AP/Aaron Favila

Den letzten Termin seiner denkwürdigen Dienstreise nach Melbourne erfüllte Novak Djokovic gewohnt pflichtbewusst. In den königlichen botanischen Gärten am Ufer des Yarra River, einem wunderbaren Ort zum Heiraten, küsste der serbische Seriensieger versonnen seinen Pokal. Es war, als würde die Tenniswelt für diesen einen Moment stehenbleiben. Dabei war sein Rekordsieg längst wieder Vergangenheit – das wusste Djokovic selbst am besten.

Schon die Stunden nach seinem siebten Triumph bei den Australian Open drehten sich kaum um seine außergewöhnliche Vorstellung gegen den hoffnungslos unterlegenen Rafael Nadal (32). Stattdessen musste Djokovic die Frage beantworten, was in dieser Verfassung in Zukunft möglich sei. Roger Federers Rekord von 20 Major-Titeln? Oder der Traum der Tennis-Historiker: der Erfolg bei allen Grand-Slam-Turnieren innerhalb eines Jahres?

„Ich bin mir bewusst, dass es etwas wirklich Spezielles ist, in dem Sport, den ich liebe, Geschichte zu schreiben. Natürlich ist das eine Motivation“, sagte Djokovic. Mit 31 Jahren und nach 15 Grand-Slam-Triumphen – zuletzt sogar drei in Folge – weiß er genau, was seine Zuhörer erwarten. Vor allem in Australien, wo er so erfolgreich wie an keinem anderen Ort der Welt spielt.

Für den Grand Slam „muss ich wohl Rod Laver in mein Team holen“, scherzte Djokovic: „Er ist der einzige, der diese unmögliche Herausforderung im Tennis geschafft hat.“ Laver, mittlerweile 80 Jahre alt und die australische Tennis-Legende schlechthin, hatte 1969 alle vier Majors in einem Jahr gewonnen. Djokovic hat immerhin bei den French Open in Paris die Chance, alle Grand-Slam-Pokale gleichzeitig in seiner Sammlung zu vereinen. Dieses Kunststück ist nicht einmal seinen Dauerrivalen Federer und Nadal gelungen. Djokovic kann es nach 2015/2016 sogar wiederholen.

Die Dominanz, mit der er seit Monaten auftritt, nachdem er sich von einer Ellbogenverletzung und einer Karriere gefährdenden Sinnkrise erholt hat, regt zum Träumen an. Doch Djokovic warnt: Federers Rekord sei noch ein ganzes Stück weit weg. Die Tennis-Geschichte, besonders die jüngste, oft als goldene Ära bezeichnet, hat ihn Demut gelehrt. Auch wenn er gegen den bis dato für die Gegner Angst einflößenden Nadal beim 6:3, 6:2, 6:3 das „perfekte Match“ ablieferte, würde er nie behaupten, das Rätsel entschlüsselt zu haben. „Das könnte sich rächen. Ich mag die Lösung für dieses Spiel gefunden zu haben, aber nicht für das ganze Leben“, sagte Djokovic.

Schon in Roland Garros betritt er Nadals Reich, den Sandplatz – und schon bei der Siegerehrung in Melbourne kündigte der Spanier an, es nicht wehrlos zu überlassen. „Ich werde hart kämpfen, um verbessert zurückzukommen“, sagte Nadal, der die French Open, sein Turnier, bereits elf Mal gewonnen hat.

Nicht weniger ist in Wimbledon von Roger Federer (37), der den Rasen acht Mal als Turniersieger verließ, zu erwarten. Djokovic weiß das besser als jeder andere. Die Tenniswelt dreht sich weiter – auch für den Seriensieger. Stillstand darf er sich nach dem innigen Moment im botanischen Garten nicht erlauben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort