Noch haben Deutsche hier keine ChanceEin Land im Freudentaumel

Kaiserslautern. Dass Kricket-Spiele oft mehrere Tage dauern, ist so ziemlich das einzige, was wir Deutschen über diese Sportart wissen. Allein aus diesem Grund mutet dieses Spiel ein wenig skurril an. Ein Spiel, das dem Baseball ähnelt und - wie sollte es anders sein - die Engländer erfunden haben. Dabei sind die Regeln eigentlich nicht so schwer zu verstehen

 Girish Bangalore Parappa wirft Kashif Shahab auf dem Gelände der Universität Kaiserslautern einige Bälle zu. Der Inder und der Pakistani sind mit Kricket aufgewachsen. Fotos: Oliver Dietze

Girish Bangalore Parappa wirft Kashif Shahab auf dem Gelände der Universität Kaiserslautern einige Bälle zu. Der Inder und der Pakistani sind mit Kricket aufgewachsen. Fotos: Oliver Dietze

Kaiserslautern. Dass Kricket-Spiele oft mehrere Tage dauern, ist so ziemlich das einzige, was wir Deutschen über diese Sportart wissen. Allein aus diesem Grund mutet dieses Spiel ein wenig skurril an. Ein Spiel, das dem Baseball ähnelt und - wie sollte es anders sein - die Engländer erfunden haben. Dabei sind die Regeln eigentlich nicht so schwer zu verstehen.Was zudem die Wenigsten wissen: Kricket erlebt in Deutschland eine Art Boom. In den vergangenen Jahren haben sich mehrere neue Teams gegründet. "Mit der Internationalisierung der deutschen Hochschulen hat sich einiges getan", sagt Arthur Harutyunyan. Er betreut die englischsprachigen Studenten an der Technischen Universität (TU) Kaiserslautern. Darunter sind zunehmend Studenten aus Indien und Pakistan, die die Liebe zu ihrem Volkssport mit in die Pfalz gebracht haben. "Wir sind mit diesem Sport aufgewachsen", sagt Girish Bangalore Parappa. In seinem Heimatland Indien sind die Kricket-Stars Nationalhelden. Einige verdienen mehr als europäische Spitzenfußballer. "Der Markt ist ja auch etwas größer", sagt Parappa schmunzelnd. In Indien leben weit über eine Milliarde Menschen.

Der 29-jährige Parappa studiert seit drei Jahren Informatik in Kaiserslautern. Zunächst spielte er für ein Kricket-Team aus Mannheim. In Kaiserslautern gab es damals noch keine Mannschaft. Lediglich zu Demonstrationszwecken traten pakistanische und indische Studenten 2007 und 2008 gegeneinander an. 2009 gab es dann die erste gemeinsame Partie gegen die Uni Stuttgart. Später schloss sich die TU der neugegründeten baden-württembergischen Liga an und erreichte 2010 in den beiden gespielten Kricket-Varianten jeweils Platz zwei von neun Teams. Beide Male unterlag Kaiserslautern, das seine Heimspiele auf einem umgestalteten Fußballfeld austrägt, im Finale gegen Karlsruhe. Gerade der zweite Platz in der langwierigeren Variante mit 40 statt 20 Durchgängen (zu je sechs Würfen) schmerzt: "Wir waren in der Liga auf dem ersten Platz, haben dann aber das Finale verloren", sagt Kashif Shahab (27) aus Pakistan.

"Kricket ist nicht vorhersehbar", erklärt Kapitän Parappa. Gerade das mache die Sportart so interessant. Bei den Weltmeisterschaften wurde in der zuschauerfreundlicheren Ein-Tages-Variante gespielt. Auch wenn echte Fans die mehrtägigen Test-Kricket- oder First-Class-Kricket-Spiele alles andere als langweilig finden: "Wenn England und Australien fünf Tage gegeneinander spielen, ist das richtig interessant", schwärmt Parappa.

Für solche "Feinschmecker" fehlt den hiesigen Sportfans bislang noch der Sinn. Allerdings interessieren sich zunehmend auch Deutsche für das Spiel, betont Shahab. Ins Team der TU hat es allerdings noch niemand geschafft. Neben Indern und Pakistani sind Spieler aus Bangladesch und Sri Lanka in der Mannschaft. Mumbai. Indiens Kricket-Nationalteam hat nach fast 28 Jahren den Weltmeistertitel zurückerobert und das Land mit dem Finalsieg gegen Sri Lanka in einen Freudentaumel gestürzt. Nach Spielschluss am späten Samstagabend strömten in der Hauptstadt Neu Delhi und in zahlreichen anderen Orten Hunderttausende auf die Straßen. Die Menschen lagen sich in den Armen und tanzten. Es gab Feuerwerk, Autokorsos und Hupkonzerte. "In einem Land mit 1,2 Milliarden Einwohnern, in dem Kricket Religion ist, gibt es nichts Größeres als diesen Titel", sagte ein Student im Endspielort Mumbai.

Zuletzt war Indien im Jahr 1983 Weltmeister im One-Day-Cricket - aber noch nie gewann der Gastgeber den begehrten Titel. "Viele von uns waren damals noch nicht geboren, deshalb ist dieser Sieg vor allem für die jungen Leute etwas ganz Besonderes", freute sich ein Mann nach dem packenden Finale im Wankhede-Stadium.

Am Sonntag flatterte an vielen Autos die Nationalflagge. Die indischen Nachrichtenkanäle strahlten Sondersendungen aus. "Letzte Nacht haben wir mit wildfremden Menschen auf der Straße gefeiert", sagte ein Rechtsanwalt aus Neu Delhi dem Sender NDTV: "Jeden hat dieses einmalige Gefühl der Liebe für unser Land erfasst."

Die Spieler wurden am Sonntag von Staatspräsidentin Pratibha Patil empfangen. Zuvor hatte Premierminister Manmohan Singh erklärt, das Team um Kapitän Mahendra Singh Dhoni habe das Land stolz gemacht.

Auch im Nachbarland Sri Lanka wurde gefeiert. Tausende Menschen jubelten am Straßenrand, als die Mannschaft in einem dreistündigen Autokorso vom Flughafen in die Hauptstadt Colombo fuhr. "Wir müssen uns bei der Nation entschuldigen, dass wir den Titel nicht gewonnen haben", sagte der Kapitän des Weltmeisters von 1996, Kumara Sangakkara.

 Vier Mitglieder des Kricket-Teams der Uni Kaiserslautern: Girish Bangalore Parappa, Kashif Shahab, Bilal Ahmad Khan und Anoop Bhagyanath (v.l.).

Vier Mitglieder des Kricket-Teams der Uni Kaiserslautern: Girish Bangalore Parappa, Kashif Shahab, Bilal Ahmad Khan und Anoop Bhagyanath (v.l.).

 Indiens Nationalmannschaft feiert den WM-Sieg. Foto: dpa

Indiens Nationalmannschaft feiert den WM-Sieg. Foto: dpa

Die Kricket-WM ist eines der größten Sportereignisse der Welt und findet seit 1975 alle vier Jahre statt. In diesem Jahr wurde sie von Indien, Bangladesch und Sri Lanka ausgerichtet. Indien hatte auf dem Weg ins Finale den viermaligen Weltmeister und Titelverteidiger Australien sowie den Rivalen Pakistan ausgeschaltet. dpa

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