Nie wieder Wembley

Rio de Janeiro · Tor oder kein Tor? Diese Frage soll künftig einfacher zu beantworten sein – mit der deutschen Torlinientechnik Goal Control, die die Fifa beim Confed Cup ab diesem Samstag erstmals vor großem Publikum testet.

Nie wieder Wembley? Insgeheim hoffe er schon auf eine Wiederholung des wohl umstrittensten (Nicht-)Tores in der Geschichte des Fußballs, sagt Dirk Broichhausen - dann jedoch mit anderem Ausgang. Und dafür will er höchstpersönlich sorgen. Seine Firma testet beim Confed Cup in Brasilien ab Samstag (bis 30. Juni) im Auftrag des Weltverbandes Fifa ihre Torlinientechnik Goal Control. Die Frage "Tor oder nicht?" soll dort im Zweifel nicht wie 1966 ein Linienrichter aus Aserbaidschan, sondern der Computer beantworten.

Broichhausen mag es nicht recht zugeben, aber "irgendwie hoffen wir doch auf eine Bewährungsprobe für unser System". Es wäre doch "grandios", meint er, wenn es eine strittige Szene klären könnte. Für den Geschäftsführer eines Unternehmens aus Würselen bei Aachen würde sich dann der zweite große Traum nach der Zulassung für das "Festival der Champions" erfüllen - der von der WM 2014 an gleicher Stelle. "Wir sind überzeugt, dass wir unseren Job erledigen, und sehen realistische Chancen, auch die WM ausstatten zu dürfen", sagt Broichhausen, sein Kollege Jürgen Philipps ergänzt: "Wir sind zu 100 Prozent einsatzbereit."

Dabei war es eine Überraschung, dass Goal Control Anfang April den Zuschlag bekam. Mitbewerber war neben den Systemen Cairos und Goalref, die mit Sensor oder Chip im Ball arbeiten, das im Tennis bewährte Hawk-Eye, das von Fifa-Sponsor Sony entwickelt wurde. Der Weltverband teilt mit, dass "insbesondere die Fähigkeit, sich den lokalen Gegebenheiten bei den beiden Turnieren in Brasilien anzupassen", den Ausschlag gegeben habe.

Broichhausen sagt, die "herausragende Genauigkeit" von Goal Control sei entscheidend gewesen. Das System kann mit jedem Ball arbeiten, auch an den Toren sind keine Um- oder Anbauten nötig. 14 Hochgeschwindigkeitskameras, die unter dem Stadiondach angebracht werden, erfassen die Position des Balles in drei Dimensionen - das gesamte Spiel über. Überquert der Ball die Torlinie komplett, empfängt die Uhr des Schiedsrichters in weniger als einer Sekunde ein verschlüsseltes Signal.

Die Fifa erlaubte bei der Vergabe drei Zentimeter Messtoleranz - und damit Restzweifel. Die schließt Broichhausen aus. "Wir schaffen fünf Millimeter", sagt er stolz. Goal Control kann die Position des Balles sogar errechnen, wenn der von Spielern verdeckt wird. Dabei kommt dem nordrhein-westfälischen Unternehmen seine Erfahrung in industrieller Bildverarbeitung zugute. Bevor es sich mit Fußball befasste, führte es Qualitätskontrollen etwa bei Dichtungen und Schläuchen in der Automobilbranche durch.

Die Fifa hat das überzeugt, die Deutsche Fußball Liga (noch) nicht. "Nicht vor dem 1. Juli 2015" will die DFL Torlinientechnik einführen. Und das, obwohl sich in einer Umfrage des Fachblattes "kicker" in dieser Woche fast 80 Prozent der teilnehmenden Profis für Goal Control aussprachen. Die Uefa setzt in Champions und Europa League weiter auf Torlinien-Assistenten, die Schalke-Manager Horst Heldt "Pappnasenheinis" nannte. Die Premier League in England und die Ehrendivision in den Niederlanden sind da etwas weiter: Sie nutzen ab der kommenden Saison Hawk-Eye.

Besonders die Engländer wissen warum. Ihr Motto aber lautet: "No more Bloemfontein!" Dort, in Südafrika, blieb den Three Lions im WM-Achtelfinale 2010 gegen Deutschland der Treffer zum 2:2-Ausgleich verwehrt, weil es da noch keinen Piepston für den Schuss von Frank Lampard gab. Für Fifa-Präsident Joseph Blatter war der Vorfall nach langem Zögern der Beweis: "Torlinientechnik ist eine Notwendigkeit."

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