„Nicht zu Ende gedacht“

Lausanne · Der Entwurf zur Reform des weltweiten Anti-Doping-Kampfes stößt auf Kritik. Große Sportverbände und Nationale Anti-Doping-Agenturen äußern Zweifel, weil die Kompetenz der Welt-Anti-Doping-Agentur nicht klar sei.

Der Entwurf sei "nicht zu Ende gedacht", die Mächtigen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) wollten "weiter das Ruder in der Hand halten": Der hochkarätig besetzte olympische Gipfel stößt mit seinen Vorschlägen zur Reform des weltweiten Anti-Doping-Kampfes an der Basis der täglichen Doping-Jagd auf harsche Kritik .

Generell wurde die Übertragung des Kontrollmanagements an die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) begrüßt. Doch die Gewaltenteilung müsse deutlicher ausfallen, wie Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), forderte: "Es kann nicht sein, dass ein IOC-Mitglied Präsident der Wada bleibt", sagte Prokop mit Blick auf Craig Reedie.

Die Sport-Granden beim Gipfel wiesen daraufhin, dass es sich lediglich um eine Art Grundsatzerklärung handele. Doch angesichts der drängenden Fragen im Russland-Konflikt und der Attacken zwischen dem IOC und der Wada war der Wunsch nach Annäherung groß: "Ein klärendes Wort in dem Streit hatte ich schon erwartet", sagte Prokop.

Unverständnis blieb hinsichtlich der neuen Rolle der Wada, die fortan auch die Nationalen Anti-Doping-Agenturen (Nadas) kontrollieren soll. Die durchaus gute Arbeit einiger Nadas und eine Ausweitung ihrer Kompetenz wurde indes nicht in Betracht gezogen. "Wir fallen ein Stück weit hintenüber", sagte der deutsche Nada-Vorstand Lars Mortsiefer.

Dass die Kontrollmechanismen generell gestärkt werden sollen, findet auch Mortsiefer gut. "Es gibt ja nicht nur die 17, 18 gut arbeitenden Nadas in der Welt. Wenn die Wada in Ländern wie Russland oder Kenia als Regulativ agiert, ist das in Ordnung." Allerdings hätte sich der deutsche Dopingjäger mehr Mitspracherecht von Wada und Nada gewünscht, doch die Profis aus der täglichen Basisarbeit saßen beim Gipfel in Lausanne nicht mal mit am Tisch. "Man will das Ruder in der Hand halten und nicht zu sehr in die Tiefe gehen. Vieles wurde nicht zu Ende gedacht", sagte Mortsiefer. Lediglich Reedie war dabei, allerdings wüsste man nicht genau, so Mortsiefer, in welcher Funktion Reedie dort aufgetreten ist - als IOC-Mitglied oder als Representant der Wada.

Auch der Zusammenschluss aller Nationaler Anti-Doping-Agenturen kritisierte das Treffen. Es sei weiterhin fraglich, ob die Wada auch die Möglichkeit bekäme, bei staatlich gefördertem Doping wie in Russland einzugreifen. "Wenn das so wäre, müsste klar gesagt werden, dass die Wada solche Zuständigkeiten erhält", hieß es.

In Deutschland sieht Prokop in der alltäglichen Arbeit der Doping-Agenturen wenig Handlungsbedarf. "Wada und Nada arbeiten sehr gut zusammen, das kann ich als Vertreter eines Fachverbandes nur bestätigen", sagte der Sport-Funktionär. Die Nada in Bonn leitet mittlerweile unter anderem das Kontrollmanagement von sämtlichen olympischen Sommersportverbänden. Rund 15 000 Dopingkontrollen pro Jahr werden von den Bonner Dopingjägern koordiniert.

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