Fußball Nicht nur die Engländer haben aufgeholt

Köln · Bei den deutschen Jugendfußball-Nationalmannschaften findet eine bedenkliche Entwicklung statt.

(sid) Mehmet Scholl ist für seine lockeren Sprüche bekannt. Flapsig wie gewohnt formulierte der ehemalige Bayern-Star seine Kritik an der Ausbildung im Deutschen Fußballbund (DFB). Die Kinder dürften sich nicht mehr im Dribbling probieren, sagte Scholl schon Monate vor dem WM-Vorrunden-Aus – stattdessen könnten sie „18 Systeme rückwärts laufen und furzen“.

Bei der Ankündigung, alles auf den Prüfstand zu stellen, kommt der Nachwuchsarbeit jetzt eine besondere Bedeutung zu. Die jüngsten Resultate waren alarmierend. Die U17 scheiterte in diesem Jahr bei der EM in England nach zwei deftigen Pleiten gegen die Niederlande (0:3) und Spanien (1:5) kläglich in der Vorrunde. Der U19 erging es 2017 bei der EM in Georgien nicht besser: 1:4 gegen Niederlande, 1:4 gegen England. Die Qualifikation für die EM Ende Juli in Finnland verpasste sie durch ein 2:5 gegen Norwegen. Für die U20 war bei der WM 2017 in Südkorea im Achtelfinale gegen Sambia (3:4 n. V.) Schluss.

„Wenn wir die derzeitige Situation im U-Bereich analysieren, sehen wir, dass die Breite an außergewöhnlichen Spielern kleiner wird“, sagte Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff. Trotz den deutschen Siegen 2017 bei U21-EM und Confed-Cup weiß Bierhoff: „Die anderen Nationen haben aufgeholt.“ In den Niederlanden, Frankreich und England bewegt sich viel. Besonders die Engländer haben massiv in die Trainerausbildung investiert. Sie legen zudem mehr Wert auf die individuelle Schulung der Fußballer. Diesen Rückstand könne man nicht aufholen, „indem wir einen U-Trainer auswechseln“, sagt Bierhoff. Die Probleme sind vielschichtiger.

Es gibt immer mehr Einheitsfußballer, immer weniger Spezialisten. Das Pass- und Positionsspiel steht in der Ausbildung im Vordergrund, es gibt eine Gleichschaltung im Jugendbereich. Die Individualität bleibt dadurch auf der Strecke. Es mangelt an Typen, an Stürmern, an Außenverteidigern. Neben dem Kampf seien es auch „die Basics, die Eins-gegen-Eins-Situationen, die wir nicht gut lösen“, sagt U20-Trainer Frank Kramer. Abhilfe soll die gerade entstehende DFB-Akademie in Frankfurt schaffen – Fertigstellung ist allerdings nicht vor 2021.

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