Neuer Lack, neues Team, altes Auto

Stuttgart. Grau verhangener, dicker Wolkenhimmel, Nieselregen, Temperaturen um die Null Grad, dünne Schneedecke über den berühmten Weinbergen von Bad Cannstadt und Untertürkheim - die schwäbische Metropole und Umgebung präsentierten sich gestern von ihrer schmuddeligen Seite

Stuttgart. Grau verhangener, dicker Wolkenhimmel, Nieselregen, Temperaturen um die Null Grad, dünne Schneedecke über den berühmten Weinbergen von Bad Cannstadt und Untertürkheim - die schwäbische Metropole und Umgebung präsentierten sich gestern von ihrer schmuddeligen Seite. In Bad Cannstadt, vor dem Mercedes-Benz-Museum, stehen dick verpackt in schwarzer Kluft und zum Teil kahlköpfig Männer mit Leibwächterfigur. Sie weisen freundlich, aber bestimmt den Weg ins Innere des achtstöckigen Gebäudes, in dem Historie und Moderne aufeinanderprallen. Drinnen, bei wohliger Wärme, glitzert und glänzt es - und die Sterne leuchten. Feine Damen schwirren umher, sind damit beschäftigt, 600 Gäste zu empfangen, und unter ihnen 250 Journalisten aus aller Welt ihre Akkreditierungs-Unterlagen auszuhändigen. Die Formel 1 erlebt ein Medienspektakel, wie es der Motorsportwelt nur in Ausnahmefällen widerfährt. Wie gestern. Der schwäbische Autobauer präsentierte sich erstmals seit 1955 mit eigenem Werksteam in der Formel 1.

Dieses Team ist kein "normales". Der zurückgekehrte Renn-Rentner Michael Schumacher, 41, bildet als siebenmaliger Weltmeister mit dem 17 Jahre jüngeren Wiesbadener Nico Rosberg das Fahrerduo. "Es gibt nicht viele deutsche Weltstars. Aber mit diesen zwei Fahrern machen wir die deutsche Nationalmannschaft perfekt. Da ist ein bisschen Nationalstolz berechtigt", sagte der Daimler-Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche zum Auftakt der Präsentation. Das Ziel, das der Chef ausgab, ist ebenfalls klar: "Wir wollen Weltmeister werden." Zetsche bat aber um Verständnis, dass dieses Ziel nicht unbedingt im ersten Jahr klappen muss, denn: "Wir sind ein neues Team. Geben Sie uns daher ein bisschen Zeit."

Um 11.13 Uhr dann der Augenblick, auf den alle Augen seit dem frühen Morgen warteten: Vier Azubis im Blaumann rollten den Vorjahreswagen des Weltmeister-Teams Brawn im neuen Farbkleid, überwiegend in Silber, auf die Bühne. Auf der Nase wird schwarze Kohlefaser sichtbar - Reminiszenz an den Ur-Silberpfeil von 1934. Hinter dem alten Brawn-Boliden in neuem Kleid kommen im silbernen Rennanzug im Gleichschritt Nico Rosberg und Michael Schumacher geschlendert. Mit auf der Bühne: Mercedes-Teamchef Ross Brawn, Motorsportchef Norbert Haug und Geschäftsführer Nick Fry.

Ein Blitzlichtgewitter bricht über die Hauptdarsteller und ihr Chef-Trio herein. Eher gelangweilt bringen sich beide Fahrer auf Hinter- und Vorderreifen des ausgedienten Renners für die Fotografen in Position. Erstmals am 1. Februar, beim ersten Test in Valencia ist der neue Dienstwagen von Schumacher und Rosberg zu sehen. Heiß aufs Fahren sind sie aber jetzt schon. "Diese Saison ist wie ein Neustart für mich, ich fühle mich extrem motiviert. Ich gebe gern zu, dass ich mich dieser neuen Herausforderung total verschrieben habe", gibt Schumacher preis. Seine Körpersprache verrät aber alles andere als Aggressivität. Sponsorenmütze auf, die Hände tief in die Taschen seines silbernen Arbeitsanzugs, lässt er die Motorsportwelt wissen: "Für Mercedes zu fahren, ist, als schlösse sich ein Kreis für mich, denn ich habe meine Rennfahrerkarriere mit dem Stern auf dem Helm gestartet. Auch deshalb kann ich den Kampf kaum abwarten."

Der junge Rosberg, gerade mal 24, wird nostalgisch: "Hier im Mercedes-Museum spürt man den Atem von über 100 Jahren erfolgreicher Motorsportgeschichte, und ich bin stolz und motiviert zugleich, jetzt zu diesem Team und dieser Geschichte zu gehören."

Teamchef Ross Brawn, der als Superhirn Schumacher zu sieben WM-Titeln gelenkt hat, ist überzeugt, in seinen beiden Fahrern "zwei exzellente Piloten und eine der interessantesten und besten Fahrerpaarungen im Starterfeld zu haben". "Es gibt nicht viele deutsche Weltstars."

Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender

bei Daimler

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort