Neuer Chef, altes Leid

Athen · Heute wählt die Uefa ihren neuen Präsidenten, der mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Unbekannter sein wird. Auf den vermeintlichen, vom DFB unterstützten Wahlsieger Aleksander Ceferin kommen ganz schwierige Aufgaben zu.

Der Neuanfang der Uefa sieht schwer nach alten Zeiten aus. Abgeschieden auf einer Halbinsel am Saronischen Golf wählen die Verbände der Europäischen Fußball-Union heute ab 10 Uhr den Nachfolger des tief gefallenen Michel Platini .

Dank Absprachen und Allianzen scheint die Präsidentschaftswahl in einem Luxus-Hotel aber längst entschieden: Zum neuen Boss im komplizierten Machtgefüge des europäischen Fußballs wird wohl ein bislang vollkommen Unbekannter gekürt. Der Slowene Aleksander Ceferin, der vor ein paar Monaten als Präsident seines Nationalverbandes in der Funktionärswelt höchstens unter "ferner liefen" rangierte, kann plötzlich auf massive Unterstützung bauen. Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wird für den 48 Jahre alten Juristen stimmen. Der Niederländer Michael van Praag (68), der schon einmal Fifa-Präsident werden wollte, ist in dem Urlaubsparadies nahe Athen nur noch Außenseiter.

"Ich glaube, es muss sich einiges ändern", sagte Ceferin. Es müsse ein "neuer Wind" wehen, "neue Ideen" müssten her. Und der Slowene ist sicher: "Ich kann dafür sorgen." Genaue Auskünfte blieb der Präsidentschafts-Kandidat aber bislang schuldig. Ob Ceferin als Uefa-Chef eine Ethikkommission oder ein Compliance-Gremium installieren würde, ist offen. Auch an der fragwürdigen Praxis, den Ausrichter der Europameisterschaft nur vom kleinen Kreis des Exekutivkomitees bestimmen zu lassen, scheint er nicht rütteln zu wollen. Es wäre nötig.

Stattdessen plädierte der Slowene dafür, nach der EM 2020, die in 13 Ländern ausgetragen wird, müsse die EM 2024 "wieder in einem Land" ausgetragen werden. Das könnte den Deutschen Fußball-Bund gelockt haben, der das Turnier in acht Jahren unbedingt haben will. Zuvor hatten Medien berichtet, Ceferin habe einen Deal mit den nordeuropäischen Staaten eingefädelt - die EM für die Stimmen aus Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark.

Schon vor der Wahl haben knapp 20 Verbände offiziell erklärt, ihr Kreuz für Ceferin zu machen. Manche sprechen gar von 40 sicheren Stimmen. Stimmberechtigt sind insgesamt 55 Nationen. Ceferin hat beispielsweise in Russland große Unterstützer, und das Riesenreich kontrolliert mutmaßlich den Uefa-Osten.

"Viele Dinge sind in den letzten Jahren falsch gelaufen", sagte van Praag, der als Übergangspräsident fungieren und Platinis Amtszeit (bis 2019) nur zu Ende führen würde: "Man darf die Uefa nicht als romantische Organisation sehen. Es ist ein Geschäft."

Mitten im Machtvakuum hatten die Uefa-Macher, also auch Exko-Mitglied van Praag, zuletzt die Reform der Europapokal-Wettbewerbe durchgedrückt. Dass die Milliarden künftig noch einfacher in die Kassen der Groß-Clubs fließen, hatte zu heftiger Kritik geführt. Ceferin, der sich des "Ein Land, eine Stimme"-Prinzips natürlich bewusst ist, schloss sich an. "Ich war an dieser Konstruktion nicht beteiligt, und wenn ich gewählt werden sollte, kann ich sie nicht ändern", sagte der 48-Jährige: "Für die kleinen Länder wie Slowenien ist das keine gute Sache." Zumindest den Kleinen wird diese Aussage gefallen haben, wenngleich sie ihnen nicht helfen wird.

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Hintergrund Bei der Wahl des neuen Uefa-Präsidenten haben alle 55 Mitgliedsverbände der Europäischen Fußball-Union eine Stimme, der DFB als größter Verband genau wie das jüngste Mitglied Kosovo. Auch die Heimatverbände der Kandidaten Michael van Praag (Niederlande) und Aleksander Ceferin (Slowenien) dürfen mitwählen. Da nur zwei Kandidaten zur Wahl stehen, ist das System einfach. Wer im ersten Wahlgang mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen hat, gewinnt. Sollte die Anzahl der Enthaltungen eine absolute Mehrheit verhindern, geht es in einen zweiten Wahlgang, in welchem die einfache Mehrheit genügt. Bei einem Patt (etwa 27:27 und eine Enthaltung) folgen ein zweiter und falls nötig ein dritter Wahlgang. Steht es auch dann noch unentschieden, entscheidet das Los. dpa

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