Neue Rezepte, neue Erfolge, neue Helden

Barcelona. Keine Frage: Sie hatten Anlauf-Schwierigkeiten. Die deutschen Leichtathleten kamen an den ersten beiden Tagen der EM in Barcelona nicht richtig in die Gänge. Bis die Mannheimerin Verena Sailer aus den Startblöcken schoss und zur neuen Sprintkönigen Europas wurde. Plötzlich kamen auch alle anderen im deutschen Team in Schwung

 Nur Fliegen ist wohl schöner: Weitspringer Christian Reif sicherte sich mit einem Satz auf 8,47 Meter den ersten EM-Titel eines deutschen Weitspringers seit 1990 und setzte den goldenen Schlusspunkt unter eine erfolgreiche deutsche EM. Foto: dpa

Nur Fliegen ist wohl schöner: Weitspringer Christian Reif sicherte sich mit einem Satz auf 8,47 Meter den ersten EM-Titel eines deutschen Weitspringers seit 1990 und setzte den goldenen Schlusspunkt unter eine erfolgreiche deutsche EM. Foto: dpa

Barcelona. Keine Frage: Sie hatten Anlauf-Schwierigkeiten. Die deutschen Leichtathleten kamen an den ersten beiden Tagen der EM in Barcelona nicht richtig in die Gänge. Bis die Mannheimerin Verena Sailer aus den Startblöcken schoss und zur neuen Sprintkönigen Europas wurde. Plötzlich kamen auch alle anderen im deutschen Team in Schwung. Es waren nicht immer die, von denen man es erwartet hatte. Aber am Ende hatten die Deutschen 16 Medaillen gesammelt. Vier goldene, sechs silberne, sechs bronzene. Das sind sechs Medaillen mehr als bei der letzten EM 2006 in Göteborg.

Vielleicht hat dabei auch eine Rolle gespielt, dass sich im Kurz-Trainingslager der Athleten vor der EM in Kienbaum, vor den Toren von Berlin, eine ordentliche Portion Gemeinschaftsgefühl entwickelt hatte. Dass man Gemeinsamkeiten entdeckt hat. Teambuilding nennt DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen diese Art der Freizeitgestaltung seiner Athleten. Die fanden das gut. Wer gefragt wurde, schwärmte bei aller Individualität von Gemeinschaft. Von Rückhalt. Von gemeinsamer Stärke.

Das Rezept wirkte. Nach dem deutschen Desaster bei den Olympischen Spielen in Peking zeichnete sich schon bei der WM im vergangenen Jahr ein Aufwärtstrend ab. Der ging in Barcelona weiter. Neben Sailer kürten sich vor allem der in Saarbrücken lebende Weitsprung-Europameister Christian Reif, der Speerwurf-Zweite Matthias de Zordo (SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken) und der 1500-Meter-Zweite Carsten Schlangen zu neuen Helden der deutschen Leichtathletik. De Zordo wurde gestern vom Saarländischen Leichtathletik-Bund für seinen Erfolg mit einem Empfang geehrt.

Bei allem Erfolg gab es jedoch ein Problem: Andere Nationen verfügen offenbar über noch bessere Geheimrezepte. Denn 16 Mal Edelmetall, das bedeutete im Medaillenspiegel nur Rang vier hinter den wie erwartet starken Russen (24 Medaillen, 10 Mal Gold/6 Mal Silber/8 Mal Bronze) und den überraschend erfolgreichen Franzosen (18, 8/6/4) und Briten (19, 6/7/6). "Dieser Platz schmerzt mich schon etwas", gestand dann auch Günther Lohre, der für den Leistungssport zuständige Vizepräsident im DLV. "Wir müssen jetzt dran bleiben und wieder aufschließen."

Bei den Briten vermutet DLV-Präsident Clemens Prokop: "Da beginnt die bessere Ausstattung mit Finanzmitteln im Vorfeld der Olympischen Spiele 2012 in London das Leistungsbild zu prägen." Die Stars der nächsten Olympia-Gastgeber waren der Doppelsieger über 5000 und 10 000 Meter, Mo Farah, sowie Siebenkämpferin Jessica Ennis. Die Franzosen präsentierten sich als Europas Sprintnation Nummer eins und feierten vor allem ihren Dreifachsieger Christophe Lemaitre (100, 200 Meter und Sprintstaffel), den neuen Superstar der europäischen Leichtathletik.

Trotz der Dominanz anderer Nationen gab sich Clemens Prokop zuversichtlich. "Diese junge deutsche Mannschaft gibt viel Anlass zu Optimismus für die Zukunft", sagte er. "Ich bin überzeugt, dass uns dieses Team bis London 2012 tragen wird, sein Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft."

Meinung

Genau der richtige Zeitpunkt

Von SZ-Redakteur

Mark Weishaupt

Es waren gute, teils herausragende Leistungen, die die deutschen Leichtathleten in Barcelona ablieferten. Und das war nicht nur schön anzusehen, sondern auch immens wichtig. Nicht nur für den Zuschauer, sondern auch für den Deutschen Leichtathletik-Verband. Schließlich war die EM in ARD, ZDF und Eurosport zur besten Sendezeit üppig vertreten. Die Erfolge von Matthias de Zordo, Christian Reif und Co. führten zu Top-Quoten. Das kommt bei Sponsoren gut an und könnte mehr Geld für die Athleten bringen. Und Athleten brauchen Geld, um vernünftig trainieren zu können. Nur dann bleiben auch die Leistungen gut.

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