Neuanfang hinter verschlossenen Türen

Leipzig · Der Deutsche Schwimm-Verband wählt ein neues Präsidium. Favoritin auf die Nachfolge von Christa Thiel ist Gabi Dörries, doch sicher ist das nicht. Das Chaos war schon im Vorfeld des Verbandstages groß.

Ein Neuanfang hinter verschlossenen Türen: Wenn der kriselnde Deutsche Schwimm-Verband (DSV) an diesem Samstag nach 16 Jahren mit Christa Thiel an der Spitze eine neue Führung wählt, wird die Kongresshalle am Leipziger Zoo für die Öffentlichkeit gesperrt. Die Presse hat man aus einem Grund lieber nicht dabei: Die Stimmung ist aufgrund finanzieller Engpässe, interner Streitigkeiten und vor allem der sportlichen Talfahrt aufgeheizt. Bei den Olympischen Spielen in Rio gab es zum zweiten Mal nach London 2012 ein medaillenloses Debakel mit nur sieben Final-Teilnahmen.

"Es ist zu erwarten, dass sich viel gefetzt wird. Das sollten wir vielleicht erst mal in den eigenen Reihen halten", sagt Vico Kohlat, einer der drei Präsidentschaftskandidaten. Das ist wohl auch Noch-Chefin Thiel recht, denn ihr droht ein unrühmlicher Abgang. "Es gibt Bestrebungen, sie nicht zu entlasten", verrät der zweite Präsidentschaftskandidat, Dietmar Schott: "Auf der anderen Seite wollen manche sie zur Ehrenpräsidentin machen."

Unberechenbar - das ist auch die Wahl zum neuen Oberhaupt des 600 000-Mitglieder-Verbandes. Gabi Dörries, derzeit Vorsitzende der Fach sparte Schwimmen, geht mit ihrem Team zwar als Favoritin ins Rennen, doch sicher ist die Wahl der Unternehmerin aus Elmshorn nicht. Ihr Antrag auf eine Anschubfinanzierung in den kommenden zwei Jahren in Höhe von einem Euro pro Mitglied stößt - wie erwartet - auf Gegenwehr. Kurzfristig reichten selbst die großen Landesverbände aus Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen, die Dörries die volle Unterstützung zugesagt hatten, einen Zusatzantrag ein, der dies verhindern soll.

"Da war ich schon überrascht. Das ist eine emotionale Berg- und Talfahrt", gesteht Dörries, "aber ich bin nach wie vor optimistisch gestimmt." Sollten die vier großen Verbände wie angekündigt Dörries wählen, hätten die beiden anderen Kandidaten, der aktuelle DSV-Vizepräsident Kohlat und Schott, Vorsitzender des Hamburger Schwimmverbandes, keine Chance.

Die Ex-Stars Britta Steffen und Paul Biedermann ergriffen im Vorfeld Partei für Dörries: In einem öffentlichen Schreiben riefen die beiden Weltrekordler dazu auf, ein Foto mit einer 1-Euro-Münze aufzunehmen und per Mail an 1eurofuergabi@online.de zu verschicken. Die Bilder wollen sie beim Verbandstag aufhängen. "Wir sind überzeugt, dass eine Anschubfinanzierung notwendig ist, um die bisherigen organisatorischen Abläufe aufzubrechen und neue Strukturen zu schaffen", schrieben Steffen und Biedermann.

Der Hamburger Unternehmer Schott sieht dagegen im Dörries-Team "kein Konzept" und entschied sich deshalb vor rund zwei Wochen für eine eigene Kandidatur. Der 63-Jährige will "externe Top-Leute" ins Boot holen. Kohlat, bislang im DSV-Präsidium für den Bereich Recht zuständig, will bei den Einnahmen stärker auf die Wirtschaft zugehen. Dafür nutze der DSV derzeit viel zu wenig seine Kontakte zu ehemaligen DSV-Athleten, meint Kohlat: "Christa Thiel kommt halt aus dem Tanzen und nicht aus dem Schwimmen." Verbale Spitzen wie diese dürften viele fallen im Leipziger Kongresszentrum - hinter verschlossenen Türen.

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