Eisschnelllauf in der Krise Neben dem Eis herrscht Ratlosigkeit

Berlin · Der deutsche Eisschnelllauf-Verband liegt nach den Rücktritten des Sportdirektors und des Cheftrainers am Boden.

 Eisschnellläufer Nico Ihle bereitete sich außerhalb der Trainingsgruppe von Bundestrainer Jan van Veen auf die Olympischen Winterspiele in Südkorea vor. Eine Medaille sprang nicht dabei heraus.

Eisschnellläufer Nico Ihle bereitete sich außerhalb der Trainingsgruppe von Bundestrainer Jan van Veen auf die Olympischen Winterspiele in Südkorea vor. Eine Medaille sprang nicht dabei heraus.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Rücktritte der starken Männer, verbitterte Athleten und ein Berg von Verbindlichkeiten: Im deutschen Eisschnelllauf herrscht nach der Olympia-Pleite von Pyeongchang das Chaos. Mit vielen offenen Fragen haben sich die bei den Winterspielen so enttäuschenden Athleten in die Wettkampfpause verabschiedet. Niemand scheint derzeit in Sicht, der den Scherbenhaufen in der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) aufkehren könnte.

Bezeichnend für die seit Monaten miserable Kommunikation in der Führungsetage war der scheibchenweise Rückzug der beiden Prota­gonisten. Cheftrainer Jan van Veen kommunizierte am Sonntag zu Medienvertretern die Nichtverlängerung seines Vertrages und gab damit seinen Entschluss auch erst dem Präsidium zur Kenntnis. Erst danach reagierte die überfordert wirkende Präsidentin Stefanie Teeuwen mit einer Pressemitteilung, in der sie die längst gefallene Entscheidung über die Trennung von Sportdirektor Robert Bartko öffentlich machte.

„Ich war entsetzt, dass van Veen seinen Rücktritt zuerst den Medien mitteilte“, sagte DESG-Vizepräsident Hubert Graf gestern zum Vorgehen des Niederländers. Er sehe keine Chance, die deutschen Sportler zurück in die Weltspitze zu führen, hatte van Veen frustriert preisgegeben. „Er widerspricht sich doch selbst: Erst sagt er, die Athleten hätten Potenzial, und jetzt behauptet er das Gegenteil“, meinte Graf.

Jahrzehntelang waren die deutschen Eisschnellläufer die erfolgreichsten deutschen Medaillensammler bei Winterspielen. Die sträfliche Vernachlässigung des Nachwuchses wirkt jetzt wie eine schallende Ohrfeige für alle Verantwortlichen. Schon in Pyeongchang hatte Sportdirektor Bartko angedeutet, dass seine Konzepte auf die Zukunft gerichtet seien und die Erfolglosigkeit zumindest bis ins Jahr 2030 anhalten werden. Diese offenen Worte waren im Präsidium offenbar nicht gut angekommen.

Erschwerend kommt für die verbliebenen Verantwortungsträger bei der Suche von Nachfolgern die katastrophale finanzielle Situation des Verbandes hinzu. Nach Unregelmäßigkeiten in der DESG-Geschäftsstelle und geforderten Nachzahlungen unter anderem von Krankenkassen wird das finanzielle Loch auf eine mittlere sechsstellige Summe geschätzt. Da schlägt besonders ins Gewicht, dass nun auch der Hauptsponsor DKB sein Engagement nicht verlängert.

Die Athleten sind in größter Sorge um die Zukunft. Wie soll es weitergehen? „Wir werden jetzt nicht in Schockstarre verfallen und unsere Fühler in alle Richtungen ausstrecken“, kündigte Graf an: „Und auch wenn die Finanzlage prekär ist: Ein qualifizierter Trainer muss her.“ Bis Ende April sollen die Weichenstellungen erfolgen. Für die anstehenden Verhandlungen in Sachen Leistungssportreform befindet sich der Verband in einer denkbar schlechten Ausgangsposition.

 Der Niederländer Jan van Veen warf am Sonntag frustriert hin.

Der Niederländer Jan van Veen warf am Sonntag frustriert hin.

Foto: dpa/Soeren Stache
 DESG-Sportdirektor Robert Bartko wurde vom Verband heftig kritisiert.

DESG-Sportdirektor Robert Bartko wurde vom Verband heftig kritisiert.

Foto: dpa/Rainer Jensen

Als Hauptgrund des Versagens von Sportdirektor Bartko hat das Präsidium die mangelnde Kommunikation des früheren Bahnradprofis ausgemacht. „Die Kommunikation ist einfach nicht gepflegt werden. Das muss sich künftig unbedingt ändern“, erklärte Vizepräsident Graf. Genau diese Defizite hatten zuvor auch Nico Ihle und Patrick Beckert, die außerhalb der Trainingsgruppe van Veens ihren Weg gingen, immer wieder beklagt. „Egal, wer künftig Verantwortung übernimmt, er sollte mehr mit uns Sportlern reden“, forderte Beckert.

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