Nach Absturz ins Mittelmaß ist Stoch wieder obenauf

Garmisch-Partenkirchen · Nach seinen Olympiasiegen lief bei Kamil Stoch nicht mehr viel zusammen. Nun greift Polens Skisprung-Idol nach seinem ersten Sieg bei der Vierschanzentournee und profitiert dabei von einem, der den Deutschen jetzt fehlt.

Dieser Kerl hat die Ruhe weg. "Ich muss nicht der Beste sein. Mir reicht es, wenn ich nach einem Sprung glücklich bin", sagte Kamil Stoch während der Pressekonferenz bei der Vierschanzentournee nach seinem zweiten Platz beim Springen in Garmisch. Währenddessen meldete sich sein Mobiltelefon. Stoch ging ran und gab entspannt seine Befindlichkeit ins heimische Polen durch - die Kontrahenten Daniel Andre Tande und Stefan Kraft neben ihm auf dem Podest grinsten breit.

Was anderen als Unhöflichkeit ausgelegt worden wäre, wird dem 29-Jährigen gerne nachgesehen. Schließlich ist Stoch mit seiner charmanten Art nicht nur einer der meistgeachteten Artisten im Schanzen-Zirkus. Auch sportlich ist der Doppel-Olympiasieger von Sotschi eine große Nummer - und nach zwei verkorksten Jahren hat er, um die Telefon-Episode noch einmal aufzunehmen, wieder Anschluss. Mehr als das: Im reifen Springer-Alter ist Stoch auf dem Wege zu seinem ersten Vierschanzentournee-Gesamtsieg. Er geht als Spitzenreiter ins dritte Springen morgen in Innsbruck. "Daran denke ich im Moment gar nicht - es können noch viele gewinnen", sagte Stoch. Die aussichtsreichsten Mitbewerber saßen direkt neben ihm: Der Österreicher Kraft, Sieger von Oberstdorf, liegt nur 0,8 Punkte zurück - umgerechnet nicht einmal ein halber Meter. Der Norweger Tande, Sieger von Garmisch, ist 6,6 Punkte dahinter. Dies wurde auch Stoch so dargelegt, allein: Es kümmerte ihn herzlich wenig, er sinnierte lieber über dies und das und wirkte zufrieden mit sich und der Welt.

Ein Gefühl, das dem Perfektionisten abhanden gekommen war. Der Spätstarter hatte erst 2011 - nach sieben Jahren im Weltcup - sein erstes Springen gewonnen. Zwei Monate vor dem Rücktritt seines großen Landsmannes Adam Malysz war das. Die Thronübergabe von König Adam zu Kaiser Kamil klappte fließend. Stoch wurde Weltmeister, Olympiasieger, Gesamtweltcupsieger - und verabschiedete sich wieder ins Mittelmaß. Dort holte ihn im Sommer Stefan Horngacher ab. Der Österreicher, bis dahin Assistent des deutschen Bundestrainers Werner Schuster, machte Stoch als Nationaltrainer in Rekordzeit flott. "Stefan hat einiges in unserem System geändert", sagte Stoch. Bei ihm reichte es, dass Horngacher die Anlaufposition korrigierte - "das war der entscheidende Punkt". Horngachers diagnostische Fähigkeiten fehlen nun den Deutschen.

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