Hitzfeld findet es respektlos Ist die Bundesliga eine Lügen-Liga?

Stuttgart · So wie jetzt Stuttgarts Michael Reschke haben Entscheider schon öfters mal nicht die Wahrheit gesagt.

 Er brachte die Diskussion ins Rollen: Am Samstagabend nach dem 1:3 in Hannover schloss VfB-Sportvorstand Michael Reschke eine Trennung von Tayfun Korkut noch aus – um den Trainer dann am Sonntagmorgen zu feuern.

Er brachte die Diskussion ins Rollen: Am Samstagabend nach dem 1:3 in Hannover schloss VfB-Sportvorstand Michael Reschke eine Trennung von Tayfun Korkut noch aus – um den Trainer dann am Sonntagmorgen zu feuern.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Ottmar Hitzfeld hat seinen Ruf als Gentleman in der Fußball-Branche bis in den Ruhestand hinein gewahrt – und keinerlei Verständnis für die Lüge von Michael Reschke beim VfB Stuttgart. Der beurlaubte Tayfun Korkut am Sonntag als Cheftrainer, obwohl er ihm nur Stunden zuvor in aller Deutlichkeit den Rücken gestärkt hatte.

„Es ist immer eine Frage der Formulierung. Auch wenn man nicht weiß, ob der Trainer bleibt oder nicht, muss man das rhetorisch besser ausdrücken, sodass man sich eine Hintertür offen lassen kann“, sagte der 69-jährige Hitzfeld gestern. „So, wie das in Stuttgart passiert ist, ist das kein guter Stil. Ich finde das respektlos. Man sollte offen miteinander umgehen.“

Seit Reschkes Lüge offensichtlich wurde, hagelt es Kritik. Der Bund Deutscher Fußball-Lehrer bezichtigte den VfB-Sportvorstand eines Stils, „der mit seriösem Fußball nichts zu tun hat“, und polterte in Person des Präsidenten Lutz Hangartner: „Die Art und Weise, wie hier mit Trainern umgegangen wird, ist nicht akzeptabel.“

Hitzfelds und Hangartners Kommentare eint ein Wunsch, den Fußball-Fans jedes Clubs grundsätzlich wohl unterstützen würden. Ehrlichkeit, Loyalität, Vertrauen – das sind Werte, die auch von Ultras gefordert werden. Fakt ist aber: Die Bundesliga ist oft ein ziemlich verlogenes Geschäft. Und das ist den meisten auch bewusst. Nur kommt es selten so brutal offensichtlich zum Vorschein wie in den letzten Tagen.

Reschke jedenfalls empfindet sein Verhalten als notwendig. „Es geht immer um das, was in der aktuellen Situation für den VfB Stuttgart das Beste ist. Wenn dann mal ein, zwei Fälle passiert sind, wo eine massive Wahrheitsbeugung vielleicht vorgelegen hat, dann ist das einfach so“, sagte er. „Ich kann gut damit leben. Ich glaube, dass ich sehr glaubwürdig bin im Vorgehen und vielen Aussagen, die ich treffe.“

Seine Lüge vom Samstagabend ist bei Weitem nicht die erste der Liga. Beinahe-Bundestrainer Christoph Daum berief sich einst auf ein absolut reines Gewissen und wurde doch überführt, Kokain konsumiert zu haben. Uli Hoeneß dementierte 2008 energisch, hinter dem Rücken von Hitzfeld mit anderen Trainern zu sprechen – acht Tage danach präsentierte der FC Bayern München Jürgen Klinsmann als Cheftrainer für die kommende Saison.

Schon 1989 schwor Andy Möller den Fans von Borussia Dortmund über das Stadionmikrofon die Treue und wechselte doch zurück zu Eintracht Frankfurt. Und erst im Februar antwortete Bernd Hoffmann vor der Wahl zum HSV-Präsidenten auf die Bitte eines Mitglieds, sein Ehrenwort zu geben, nie den Vorstandsvorsitz übernehmen zu wollen, dass er diesen Posten nicht anstrebe. Hoffmann ist seit drei Wochen nicht mehr Präsident des e.V. und Vorstandsvorsitzender der AG.

Was Reschke von all den anderen allerdings unterscheidet: Er gibt, ohne das Wort Lüge zu benutzen, sein Verhalten offen zu. Und kündigt an, dass unter Umständen weitere Lügen folgen. „Wenn es sein muss und im Sinne des VfB Stuttgart ist und im Sinne von Spielern ist, dann werde ich von diesem Recht, die Wahrheit zu beugen, auch weiter Gebrauch machen. Auch wenn es für den einen oder anderen danach schwerer zu verarbeiten ist.“

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