Monsieur Favre und seine Schüler

Mönchengladbach. Lucien Favre, der Cheftrainer von Borussia Mönchengladbach, gibt pro Woche exakt ein Interview, sehr selten auch mal zwei. Separate Gesprächstermine mit dem 54-Jährigen gibt es erst im nächsten Jahr wieder. Schließlich möchte Favre die Zeit weiterhin in erster Linie damit verbringen, an seinem Überflieger-Team zu feilen

 Heute Abend die Nummer eins der Liga? Gladbachs Trainer Lucien Favre. Foto: Weihrauch/dpa

Heute Abend die Nummer eins der Liga? Gladbachs Trainer Lucien Favre. Foto: Weihrauch/dpa

Mönchengladbach. Lucien Favre, der Cheftrainer von Borussia Mönchengladbach, gibt pro Woche exakt ein Interview, sehr selten auch mal zwei. Separate Gesprächstermine mit dem 54-Jährigen gibt es erst im nächsten Jahr wieder. Schließlich möchte Favre die Zeit weiterhin in erster Linie damit verbringen, an seinem Überflieger-Team zu feilen. An einer Mannschaft, die im Mai nur haarscharf am Gang in die 2. Liga vorbeischrammte, und die heute, ein halbes Jahr später, mit einem Sieg in Köln plötzlich die Bundesliga-Spitze erklimmen kann. Wenigstens für ein paar Stunden - und mit fast der identischen Besetzung des Frühjahrs.Übertriebene Bescheidenheit legt "Wir-denken-von-Spiel-zu-Spiel"-Papst Favre angesichts dieser Erfolgsstory immerhin nach und nach ab. "Unsere 26 Punkte hätten wir nicht, wenn wir keine guten Spiele gemacht hätten", erklärt er höflich - und teilt der Konkurrenz zum Gladbacher Entwicklungsprozess kurz mit: "Wir sind schon sehr weit." So weit, dass der von den Bayern zunehmend heftig umworbene Marco Reus den persönlichen Wohlfühlfaktor bei der Borussia preist, Keeper Marc-André ter Stegen (19) seinen Vertrag gerade bis Juni 2015 verlängert hat. Oder der immer wertvollere Mittelfeldmann Juan Arango, der im Januar mit einem Wechsel nach Sevilla liebäugelte, neuerdings behauptet: "Ich will nie mehr weg, auch nicht nach Spanien."

Ähnliches gilt für Mike Hanke, dessen Karriere bislang vorrangig von erfolgreichen Abstiegsverhinderungen geprägt war - und der jetzt betont: "Wir spielen ja keinen Glücksfußball, es steckt ein System dahinter", und erklärt als eines der Gladbacher Erfolgsgeheimnisse. "Wir haben einfach sehr viele intelligente Spieler in unseren Reihen."

Die klugen Köpfchen, die vor einem Jahr noch Heimspiel um Heimspiel vergeigten, musste Favre allerdings erst einmal freilegen. Die restriktive Festigung der Abwehr war dabei die erste Lektion. In dieser Saison steht nun das offensive, auf Fitness und großer Folgsamkeit der Spieler basierende Kreieren von Torchancen ganz oben auf dem Stundenplan. Und seine Elf, für die laut Trainer im Frühjahr noch "jedes Gegentor fast den K.o. bedeutete", ist sehr gelehrig.

"Favre ist der Kopf der Mannschaft. Es gibt nicht einen Tag, wo man sich im Training leisten kann, es etwas lockerer anzugehen", beschreibt Mittelfeldspieler Roman Neustädter das strenge Regime des Mannes, der auch an den eigenen Fähigkeiten ähnlich zielgerichtet und strukturiert feilt. Nachdem er auf seiner ersten Bundesliga-Station in Berlin erst auf Platz vier gestürmt und im Herbst dann entlassen worden war, legte Favre nach 13 Jahren Arbeit ohne echten Urlaub eine lange Pause ein. Kurierte in aller Ruhe ein Darmproblem aus, unternahm Reisen, belegte Sprachkurse - und schaltete in der Heimat im Fernsehen stets die "Tagesschau" ein. Nie wieder sollten ihn Spieler, Klub-Funktionäre oder Journalisten in Deutschland falsch verstehen. Bei seinen Spielern hat es bislang funktioniert, soviel ist sicher. "Unsere 26 Punkte hätten wir nicht, wenn wir keine guten Spiele gemacht hätten."

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