Mittendrin statt nur dabei

Saarbrücken. Er hat viele kommen und gehen sehen. Er darf sogar von sich behaupten, dass wohl kaum ein anderer mehr Spitzensportler am Olympiastützpunkt in Saarbrücken kennen gelernt hat als er. Die Rede ist von Steffen Justus. Der Triathlet ist so etwas wie das Urgestein schlechthin an der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken

 Seit vergangener Saison mischt Steffen Justus, Mitte, bei den ganz Großen der Triathlon-Welt mit. Unser Bild zeigt den 28-Jährigen beim WM-Rennen 2009 in London, in dem er Zweiter wurde - nur geschlagen von Weltmeister Alistair Brownlee, rechts neben ihm. Foto: SZ/ITU

Seit vergangener Saison mischt Steffen Justus, Mitte, bei den ganz Großen der Triathlon-Welt mit. Unser Bild zeigt den 28-Jährigen beim WM-Rennen 2009 in London, in dem er Zweiter wurde - nur geschlagen von Weltmeister Alistair Brownlee, rechts neben ihm. Foto: SZ/ITU

Saarbrücken. Er hat viele kommen und gehen sehen. Er darf sogar von sich behaupten, dass wohl kaum ein anderer mehr Spitzensportler am Olympiastützpunkt in Saarbrücken kennen gelernt hat als er. Die Rede ist von Steffen Justus. Der Triathlet ist so etwas wie das Urgestein schlechthin an der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken. Gerade mal 28 Jahre ist er alt, also im besten Triathlon-Alter. Von diesen 28 Jahren hat Justus, der von allen "Schmatzel" genannt wird, die vergangenen zehn Jahre an der Sportschule verbracht. "Fast ein Drittel meines Lebens", rechnet Justus und lacht.

Im Jahr 2000, nach dem bestandenen Abitur, kam Justus aus Jena nach Saarbrücken. "Das war damals nicht ohne, als 18-Jähriger", erinnert er sich, "aber die anderen haben mir unheimlich geholfen, mich einzuleben". "Die anderen" - das waren Athleten wie Schwimmerin Marietta Uhle, Ringer Alfred Ter-Mkrtchyan, Triathlet Eric Biehler oder Badminton-Nationalspieler Ingo Kindervater. Längst vergessene Namen - bis auf Kindervater, der immer noch erfolgreich aktiv ist.

Eine große Gemeinschaft

"Ich habe super Anschluss gefunden", erzählt Justus über die Zeit im alten Wohnheim im Gebäude 56, in dem der Olympiastützpunkt sein Zuhause hat, "das war wie eine große Wohngemeinschaft. Wer etwas zu tun hatte, blieb auf seinem Zimmer, die anderen trafen sich im Wohnbereich". Seine Bude: "Zweiter Stock, hinten rechts." Einige Bekanntschaften zu Athleten von früher sind geblieben, teils sogar Freundschaften entstanden, wie die zu Kindervater.

Der vielseitige Justus ("Ich habe immer alles ausprobiert") galt als großes Talent in der noch jungen Sportart Triathlon. 1998 war er gleichzeitig deutscher Jugendmeister im Triathlon und deutscher Vizemeister über 3000 Meter bei den Leichtathleten. Mit dem Wechsel nach Saarbrücken wurde Justus in die Sportfördergruppe der Bundeswehr aufgenommen. Dadurch konnte er sich ganz auf seinen Sport konzentrieren. Das zahlte sich aus - 2000 wurde er Junioren-Europameister, 2003 Dritter bei der U23-EM.

Der große Durchbruch bei den "Erwachsenen" - der gelang ihm nicht. Justus stand in der immer größer werdenden Schar von deutschen Weltklasse-Triathleten oft im Schatten der Arrivierten wie Daniel Unger, Andreas Raelert, Maik Petzold oder später auch Jan Frodeno. "Ich habe mich irgendwie durchgemogelt", gibt Justus zu, "es gab immer ein, zwei gute Resultate, die mich am Leben gehalten haben". Gute Resultate - und vor allem das Bewusstsein, ein guter Läufer zu sein. Ja, sogar ein sehr guter, wie seine Marathon-Zeit von 2:18 Stunden beweist. "Es war klar, dass sich Triathlon dahingehend entwickelt, dass eines Tages die guten Läufer die Nase vorn haben werden", erzählt Justus, "ich wusste immer, dass irgendwann der Knoten platzt".

Er platzte - und wie: 2009, als die Weltmeisterschaft erstmals als Serie von mehreren Rennen ausgetragen wurde, belegte Justus in der Gesamtwertung einen sensationellen fünften Platz, war bei sechs WM-Rennen nie schlechter als Platz neun. In seinen beiden ersten Rennen 2010 bestätigte Justus seine Leistungen mit Platz vier in Seoul und Platz fünf in Madrid.

Ein ähnliches Ergebnis erhofft er sich auch am kommenden Samstag in Hamburg, beim Heimrennen der Deutschen. Justus, der seit diesem Jahr für die Triathlon-Freunde Saarlouis startet, gehört in Hamburg mit Olympiasieger Jan Frodeno (Tri Sport Saar Hochwald) zu den aussichtsreichsten Deutschen. "2009 war ich Vierter", sagt "Schmatzel", "da ist der Bär los, beim Laufen kommt ein unglaubliches Flair auf".

Ansehen ist gestiegen

Sein Ansehen unter den gut vier Dutzend Weltklasse-Triathleten, die es gibt, hat sich durch seine Erfolge deutlich verbessert. "Früher", erzählt Justus, "haben die Jungs nicht so auf mich geachtet. Heute brauche ich auf dem Rad gar nicht erst versuchen, zu zucken - da fährt mir jeder hinterher."

Sein Plan für Samstag ist einfach: "Erst mal gut aus dem Wasser kommen", sagt Justus. Er ist leicht beeinträchtigt durch einen ausgekugelten Daumen an der rechten Hand. "Ist beim Einladen des Fahrradkoffers passiert, aber zu 99 Prozent stört mich das nicht", sagt Justus, der sich als "nicht gerade der begnadete Schwimmer" bezeichnet. Damit ist dann auch die Frage geklärt, woher der lautmalerische Spitzname "Schmatzel" herkommt. "Hast du mich mal schwimmen gesehen - oder gehört?", fragt Justus und muss lachen.

Sein großer Traum - wie könnte es anders sein - sind die Olympischen Spiele 2012 in London. "Da will ich hin", sagt Justus - im Idealfall mit Ingo Kindervater, der sich den Olympia-Traum auch noch nicht verwirklicht hat. Und wenn beide tatsächlich am 27. Juli 2012 bei der Eröffnungsfeier mit der deutschen Mannschaft ins Olympia-Stadion einmarschieren, dann würde sich ein Kreis schließen. Ein Kreis, der irgendwann im Jahr 2000 in der WG an der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken seinen Anfang nahm.

Das WM-Rennen in Hamburg mit Steffen Justus, Jan Frodeno und dem WM-Dritten von 2009, Maik Petzold, der sein erstes Saisonrennen bestreiten wird, wird am Samstag ab 13.40 Uhr live in der ARD übertragen.

"Ich wusste immer,

dass irgendwann

der Knoten platzt."

Triathlet Steffen Justus

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