Mit Fußball und Familie zurück ins Leben

Köln. Wenn Süleyman Koc morgens aufwacht, kann er manchmal die Pferde des nahe gelegenen Reiterhofes wiehern hören. Der zweckmäßig eingerichtete Raum, den der Fußball-Profi des Drittligisten SV Babelsberg 03 "mein Zimmer" nennt, ist eine Gefängniszelle in der Justizvollzugsanstalt Düppel. Koc ist Freigänger und führt ein Leben zwischen Knast und Fußballplatz

Köln. Wenn Süleyman Koc morgens aufwacht, kann er manchmal die Pferde des nahe gelegenen Reiterhofes wiehern hören. Der zweckmäßig eingerichtete Raum, den der Fußball-Profi des Drittligisten SV Babelsberg 03 "mein Zimmer" nennt, ist eine Gefängniszelle in der Justizvollzugsanstalt Düppel. Koc ist Freigänger und führt ein Leben zwischen Knast und Fußballplatz. "Ich bin wie eine Maschine. Morgens raus aus dem Gefängnis, abends rein", sagt Koc. Er fühlt sich trotz offenen Vollzugs noch immer mehr als Häftling denn als freier Mann: "Der Freigang ist wie ein Test für mich. Ich lerne, nein zu sagen."Im Sommer 2011 leistete der 23-Jährige Beihilfe zu sieben Überfällen in Berlin, angestiftet von Bruder und Freunden. Drei Jahre und neun Monate Haft lautete das Urteil. Wegen einer guten Sozialprognose darf er seit ein paar Wochen das Gefängnis bis zu 15 Stunden am Tag verlassen. Fast jeden Morgen folgt Koc dem gleichen Ritual. 6.45 Uhr aufstehen, waschen, Zimmer fegen und Brote schmieren für den Tag. Um acht Uhr geht er schnellen Schrittes Richtung Ausgang. Dabei begleitet ihn oft ein Gedanke: "Was hat sich der Trainer wohl heute ausgedacht?"

Eine Sonderbehandlung beim Training gibt es für den Sträfling nicht, "das will ich auch gar nicht. Ich gebe immer 100 Prozent, egal wie müde ich bin", sagt Koc. "Aber natürlich achtet man auf mich. Meine Mannschaftskollegen können ja bis nach acht schlafen." Einen Promi-Status hat Koc auch im Knast nicht, sein Fußball-Sachverstand ist jedoch in so mancher geselliger Runde gefragt. "Wir schauen hin und wieder zusammen Champions League. Da wird dann viel diskutiert. Einige haben echt Ahnung", erzählt der Babelsberger, der von sich selbst sagt, das Fußballspielen habe ihm das Leben gerettet.

Dass der Mittelfeldakteur nicht mit der Mannschaft ins Wintertrainingslager in die Türkei fliegen konnte, sieht er gelassen. "Natürlich wäre ich lieber in der warmen Türkei gewesen, als im Schnee zu laufen. Aber ich habe mich ja selbst in diese Situation gebracht", sagt "Sülo".

Neben dem Fußball ist die Familie der größte Halt des jungen Mannes, der völlig auf Alkohol und Zigaretten verzichtet und sich auch nur selten ins Nachtleben stürzt. "Meine Familie besitzt sogar mehrere Clubs in Berlin. Aber für mich ist das nichts", sagt Koc, der den Namen seines Vaters auf den Arm tätowiert hat, und lacht. Lieber verbringt er die Abende nach dem Training zu Hause mit Eltern und Freundin bei gutem Essen. "Aber", das gibt Koc zu, "ich vermisse es, mit meiner Familie zu frühstücken."

Wenn er seine Strafe verbüßt hat, will Koc mit seinem bis Dezember inhaftierten Bruder Sedat zurück in ein normales Leben, zurück ins eigene Bett, denn "das Gestell in der Zelle quietscht ziemlich laut", sagt er, schließt die Augen und lächelt. sid

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