Mister E wird 80

Saarbrücken. Wenn es eine Einzelperson in den vergangenen vier Jahrzehnten gibt, die die Formel 1 prägte, so ist das kein Weltmeister, sondern ein Zeitgenosse, der in der rasenden Milliarden-Show am längsten, spektakulärsten und schnellsten seine Runden dreht: Der Brite Bernhard Charles Ecclestone

Saarbrücken. Wenn es eine Einzelperson in den vergangenen vier Jahrzehnten gibt, die die Formel 1 prägte, so ist das kein Weltmeister, sondern ein Zeitgenosse, der in der rasenden Milliarden-Show am längsten, spektakulärsten und schnellsten seine Runden dreht: Der Brite Bernhard Charles Ecclestone.Seine Freunde nennen ihn nur "Bernie", seine Angestellten sprechen respektvoll von "Mister E". Der nur 1,60 Meter kleine, sehr kurzsichtige, aber weit- und durchblickende schmächtige Mächtige, geboren am 28. Oktober 1930 in St. Peters in der englischen Grafschaft Suffolk, ist "bigger than life", wie englische Journalisten sagen - größer als das Leben. Seine Bestimmung sah vor, zum ungekrönten König der Kungler aufzusteigen: Um Macht und Geld, Erfolg und Positionen, als gerissener Taktiker, als charmanter Diplomat, aber auch als skrupelloser Diktator.

Sein beachtliches kaufmännisches Talent bewies der Sohn eines Fischkutter- und Fährkapitäns bereits auf dem Schulhof. Er handelte mit allem, was ihm in die Finger kam. Zuerst Kaugummi gegen Radiergummi, dann Farbstifte gegen Schulhefte, später Fahrradpumpen gegen Fußbälle. Jung-Bernie hat immer alles verkauft oder getauscht. Und er stand stets früher auf als alle Schulkameraden, kaufte vor Schulbeginn den Bäckern in der Umgebung die Brot- und Kuchenbestände auf und verscherbelte sie in den Pausen mit Preisaufschlag gewinnbringend an seine Mitschüler. Später handelte der gelernte Chemie-Ingenieur mit Motorrädern, Ersatzteilen und Gebrauchtwagen, betätigte sich als Immobilienmakler in London und hatte bald seine erste Million zusammen. Genug, um sich einen eigenen Rennstall zu kaufen. Ecclestone wollte Formel-1-Pilot sein - natürlich im eigenen Wagen.

Bernie probierte es in seinem Connaught-Boliden mit viel Herz und Einsatz, aber nur mäßigem Erfolg. 1958 verpasste er in Monaco als 17. die Qualifikation um einen Platz. Nach einem schweren Unfall in einem Formel-3-Auto in Brands Hatch beendete Ecclestone seine bescheidene Rennfahrerkarriere. Schnell hatte er entdeckt, dass seine Talente auf der anderen Seite der Leitplanke liegen - auf dem Geschäftssektor. Mit dem Kauf des Brabham-Rennstalls 1972 begann Ecclestones steiler Aufstieg in der PS-Branche.

Bernie begann, die Formel 1 zu organisieren, gründete die Konstrukteurs-Vereinigung (Foca), wurde Vize-Präsident des Welt-Automobilverbandes (Fia) mit dem Spezialressort "Promotion und kommerzielle Angelegenheiten" und brachte viele Dinge auf eine Linie, die zuvor ziemlich ungeordnet gelaufen waren. "Mister E" machte aus einer Schaustellertruppe, die von der Improvisation lebte, ein straff organisiertes Ensemble, das seine Gastspiele bei 20 Auftritten auf vier Erdteilen gibt "wobei wir die neuen Märkte in Asien erobern wollen" (Ecclestone). So war Südkorea am vergangenen Sonntag bereits die achte Station auf diesem Kontinent.

1978 sicherte sich der kleine, große "Geldvermehrer" exklusiv alle Fernseh- und Werberechte am schnellsten Zirkus der Welt. Allein in Großbritannien hat der "Formel-1-Dagobert" ein Konglomerat aus 14 Firmen geschaffen, in denen er der Boss ist. Hinter schwarz getönten Scheiben seines silberfarbenen Motorhomes, der Schaltzentrale der Macht in der Formel 1, das an exponierter Stelle am Eingang der Fahrerlager geparkt ist, zieht der "Napoleon des Motorsports" die Fäden. Hier werden Deals eingefädelt, Verträge vorbereitet und unterzeichnet. Ecclestone weiß alles ("mir tragen viele Leute viel zu, und ich höre mir aufmerksam alles an"), sieht alles und kümmert sich um alles, von wichtigen Dingen bis hin zur Parkplatzordnung.

Ohne "Mister E" läuft einfach nichts. Wenn er will, stehen alle Räder still. Der Brite hat im Laufe der Jahre alle Machtkämpfe gewonnen, weil Geld alle Mäuler stopft. Die Formel 1 funktioniert so, wie sie Ecclestone aufgebaut hat: als diktatorischer Geheimbund mit seinen eigenen Gesetzen, als eine Ein-Mann-Show, zugeschnitten auf den 80-Jährigen. Dass dabei auch die Menschlichkeit mal auf der Strecke bleibt, wird in diesem System zwar beklagt, jedoch akzeptiert. Denn alle profitieren von Bernies Kuchen.

Geld bedeutet für den "Paten der Formel 1" (Financial Times) eine Messlatte seiner Arbeit. "Als Geschäftsmann bestimmt das Bankkonto deine Qualitäten", sagt Ecclestone und ergänzt: "Ich würde auch als Blumenhändler versuchen, so gut wie möglich abzukassieren." Die Beschimpfung "geldgieriger Beutelschneider" stört den Formel-1-Dagobert nicht im Geringsten. Selbst seine Gegner akzeptieren bedingungslos: Ecclestone ist einfach clever.

Als ein Schäferhund Ende der 90er in Las Vegas dem kleinen Mann die Nasenspitze abbiss, ließ Bernie sich für umgerechnet 300 000 D-Mark vom Schönheits-Chirurgen eine Plastiknase formen, aber seinen Riecher für das große Geld hat er bis heute nicht verloren. Und vom Aufhören will der Milliardär mit sieben Bypässen auch mit 80 noch nichts wissen. Dabei hat ihn Lieblingsfahrer Sebastian Vettel schon vorab mit einem Geburtstagsgeschenk, einer Gehhilfe (Rollator) mit Red Bull-Frontflügel und den Notrufknöpfen "Viagra", "Krankenschwester" und "Pasquale" (Ecclestones rechte Hand, Anm. d. Red.), überrascht. "Ich höre erst auf, wenn ich sterbe und aus dem Fahrerlager getragen werde. Das kann noch zehn Jahre dauern. Schließlich ist meine Oma 90 geworden", sagt Ecclestone. Für manche klingt das wie eine Drohung. "Ich höre erst auf,

wenn ich sterbe und

aus dem Fahrerlager getragen werde."

Bernie Ecclestone

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort