Fußball-Nationalmannschaft Nie war Manuel Neuer so schlecht wie heute

Leipzig · Der Torhüter fühlt sich topfit, doch seine Leistungsdaten sind erschreckend schwach. Der Kapitän ist nicht mehr der Unantastbare.

 Der nicht mehr völlig unumstrittene Manuel Neuer (links) spricht im Training der deutschen Fußball-Nationalmannschaft mit seinem Positions-Kollegen, dem Saarländer Kevin Trapp.

Der nicht mehr völlig unumstrittene Manuel Neuer (links) spricht im Training der deutschen Fußball-Nationalmannschaft mit seinem Positions-Kollegen, dem Saarländer Kevin Trapp.

Foto: dpa/Jan Woitas

Es war als Scherz gemeint. Doch Manuel Neuers Gesicht verriet, dass ihn die Fragen der Journalisten nach seiner Form bei einem Schulbesuch in Leipzig nervten. „Die Kinderfragen waren sensationell, diese Fragen jetzt trüben ein wenig die Stimmung“, sagte Neuer mit einem gequälten Lächeln.

Der Nationaltorwart redete vor rund 200 Kindern in der Aula der 94. Oberschule zunächst freundlich und charmant über seine Schul­erfahrungen oder einen möglichen Positionswechsel. Bezüglich seiner zuletzt mäßigen Leistungen antwortete der Kapitän des DFB-Teams und des FC Bayern München kurz und knapp. „Ich bin in guter Form. Ich glaube, ich habe auch zuletzt gegen Dortmund ein gutes Spiel gemacht. Ich bin mit mir im Reinen.“

Fakt ist: Der Druck auf Neuer ist im Länderspiel am heutigen Donnerstag (20.45 Uhr/RTL) gegen Russland und vier Tage später gegen die Niederlande in der Nations League hoch. Neuer verursachte in der Partie beim BVB (2:3) einen Elfmeter an Marco Reus, der Dortmund zurück ins Spiel brachte. Ob es sich wirklich um ein klares Foul („Marco tritt mir in den Bauch“) handelte, darüber ließe sich vielleicht noch diskutieren. Dass er sich mit seinem Zögern vor dem Herauslaufen aber selbst in die Bredouille brachte, ist vollkommen unstrittig.

Früher waren Neuers Kompromisslosigkeit und das perfekte Timing gefürchtet. Dafür braucht der Torwart vor allem eines: Selbstvertrauen. Aber wo soll das herkommen? Von bislang 26 Schüssen aufs Tor wehrte Neuer in der Liga nur zwölf ab. Mit dem katastrophalen Wert von 46,2 Prozent belegt der Bayern-Kapitän den letzten Platz unter allen Torhütern mit mindestens sechs Einsätzen. Noch nie in seiner Karriere kam der frühere Schalker auf unter 50 Prozent gehaltener Schüsse. Zum Vergleich: In seinen besten Jahren lag sein Wert stets um die 80 Prozent.Bei den vereitelten Großchancen sieht Neuers Statistik nicht viel besser aus: 7,1 Prozent. Die allgemeine Wahrnehmung, dass Neuer keine „Unhaltbaren“ mehr hält und die Aura des Unbezwingbaren verloren hat, sie wird durch die Zahlen bestätigt.

Der frühere Nationaltorhüter Uli Stein spricht aus, was viele denken. „Mental könnte es selbst einen Routinier wie ihn belasten, dass eine erneute Fußverletzung die Karriere bedrohen könnte“, schrieb Stein in einer Kolumne für das Magazin kicker. Neuer verneint, dass er wegen der Verletzung sein Spiel umgestellt habe: „Ich passe mein Spiel immer der Mannschaft an.“

Stein findet dennoch: „Da fehlen ein paar Prozent.“ Vielleicht auch auf seinen Rivalen im Nationalteam? „Ich sage es mal etwas ketzerisch: Marc-André ter Stegens Schulterprobleme kommen vielleicht allen, auch Bundestrainer Joachim Löw, ganz gelegen, um Diskussionen um die richtige Nummer eins jetzt nicht schon wieder bedienen zu müssen“, meinte Stein. Ter Stegen reiste wegen seiner Beschwerden nicht zum Nationalteam, bei der jüngsten 3:4-Niederlage des FC Barcelona gegen Betis Sevilla patzte aber auch er, ist aber derzeit stabiler als Neuer.

Neben Neuer sind gegen Russland und die Niederlande Bernd Leno (FC Arsenal) und der Saarländer Kevin Trapp (Eintracht Frankfurt) dabei. Neuer hat nun die Chance, die Diskussionen um seinen Status als Nummer eins vorerst zu beenden. Gelingt ihm das nicht, könnte der Umbruch im Team nicht nur die Abwehr um den langjährigen Chef Jérôme Boateng, sondern vielleicht auch bald die Torwartposition betreffen. 

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