„Märchen ist noch nicht zu Ende geschrieben“

Berlin · Schwarze Kassen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und dubiose Millionen-Zahlungen an den Weltverband Fifa? War das Sommermärchen von der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 gekauft? Dagmar Freitag (SPD), Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, fordert vom DFB eine offensive und rückhaltlose Aufklärung der Vorwürfe. SZ-Korrespondent Stefan Vetter fragte nach.

Frau Freitag, kein Märchen kommt ohne Bösewichter aus. Sind die Enthüllungen da wirklich überraschend für Sie?

Dagmar Freitag: Nein, nicht wirklich. Dieses ungute Gefühl, das man als aufmerksamer Beobachter der internationalen Sportszene schon lange hat, bricht sich möglicherweise nun auch in den Bösewichtern Bahn. Allerdings gibt es bislang nur Mutmaßungen, keine gerichtsfesten Beweise. Insofern ist das Märchen auch noch nicht zu Ende geschrieben.

Wie plausibel sind die Vorwürfe aus Ihrer Sicht?

Freitag: Auf der einen Seite denke ich, dass ein Magazin wie der "Spiegel" nicht an die Öffentlichkeit gehen würde, wenn es sich der Sache nicht sicher wäre. Auf der anderen Seite hat außer dem "Spiegel" noch keiner die Belege gesehen, auf die sich die Vorhaltungen stützen. So gesehen ist es für eine endgültige Bewertung derzeit noch zu früh.

Die Betroffenen wehren sich energisch gegen die Vorwürfe. Einer würde sogar beeiden, dass kein Stimmenkauf für die WM-Vergabe nach Deutschland stattfand. Was ist davon zu halten?

Freitag: Ob mit dem Geld tatsächlich Stimmen gekauft wurden, ist ja noch nicht abschließend geklärt. Aber es reicht wohl nicht aus, einfach zu sagen, so war es nicht. Der DFB und auch sein Präsident weisen jegliche Vorwürfe zurück. Das ist ihr gutes Recht. Doch was bislang fehlt, sind Belege, dass es tatsächlich anders war.

Der damalige Bundesinnenminister war Ihr Partfreund Otto Schily . Er weist ebenfalls alle Vorwürfe zurück. Also macht auch er es sich zu einfach?

Freitag: Wenn Otto Schily sagt, dass er von den geschilderten Vorgängen keine Kenntnis hatte, dann gehe ich davon aus, dass das zutrifft.

Manche werden sagen, das sind alles olle Kammellen. Warum die Enthüllung zum jetzigen Zeitpunkt?

Freitag: Das hat nach meiner Einschätzung mit den aktuellen Vorgängen in der Fifa zu tun. Da rollen ja Köpfe. Damals handelnde Personen sind mittlerweile lebenslang gesperrt, andere suspendiert worden. Die Fifa ist einem desolaten Zustand, und da ist es vorstellbar, dass manche noch alte Rechnungen begleichen wollen.

Wie soll es jetzt weitergehen?

Freitag: Der Deutsche Fußball-Bund wäre wohl gut beraten, die Angelegenheit offensiv anzugehen und größtmögliche Transparenz herzustellen. Allerdings bin ich skeptisch, was die Selbstreinigungskräfte im Profi-Sport angeht. Deshalb wäre eine externe Untersuchung aus meiner Sicht hier die bessere Variante.

Was könnte die Politik tun?

Freitag: Im Moment sind wir auch nur Beobachter. Wir haben ja keine Ermittlungsbefugnisse. Wenn es sich um strafrechtlich relevante Vorgänge handeln sollte, dann ist das Sache der Ermittlungsbehörden.

"Noch mal: Die WM war nicht gekauft"

Niersbach: keine Schwarzen Kassen, Zahlung nicht in Zusammenhang mit WM

Wolfgang Niersbach weist Vorwürfe des Magazins "Der Spiegel" zurück, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) habe bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 mit Geld aus einer Schwarzen Kasse vier Stimmen von Mitgliedern der Exekutive des Weltverbands Fifa gekauft: "Ich kann versichern, dass es im Zusammenhang mit der Bewerbung und Vergabe der WM 2006 definitiv keine Schwarzen Kassen beim DFB, dem Bewerbungskomitee, noch dem späteren Organisationskomitee gegeben hat." Es habe keinen Stimmenkauf gegeben, versicherte der DFB-Präsident - damals einer der Stellvertreter von OK-Chef Franz Beckenbauer : "Noch mal: Die WM war nicht gekauft."

Der frühere Vizepräsident des WM-Organisationskomitees (OK), Fedor Radman, sagte: "Das Bewerbungskomitee hat niemals irgendjemanden bestochen. Ich bin bereit, dies zu beeiden. Wir haben keine Stimmen gekauft." Bundesinnenminister Otto Schily bekräftigte, er habe als OK-Mitglied "zu keinem Zeitpunkt Infos erhalten, die den Verdacht Schwarzer Kassen begründen".

Dennoch bleiben Ungereimtheiten um eine 2005 an die Fifa erfolgte Zahlung von 6,7 Millionen Euro. Niersbach sagte, diese würde intern vom Kontrollausschuss und extern von einer Wirtschaftskanzlei untersucht. Obwohl das Ergebnis der Prüfung aussteht, könne er "aufgrund der zeitlichen Abläufe dieses Zahlungsvorgangs schon jetzt definitiv ausschließen, dass die Zahlung in Zusammenhang mit der WM-Vergabe im Jahr 2000 steht".

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