Luginger weggelobt

Saarbrücken · Der 1. FC Saarbrücken hat auf die sportliche Talfahrt in der 3. Liga reagiert und sich von Trainer Jürgen Luginger gestern getrennt. Ein Nachfolger steht noch nicht fest. U 23-Trainer Bernd Eichmann leitet vorerst das Training.

Ob dies nun einzigartig war, sei mal dahingestellt. Zumindest ist es eine Seltenheit, dass ein gerade freigestellter Fußball-Trainer mit auf dem Podium sitzt, wenn der Vorstand seine Beurlaubung vor Journalisten begründet. So gesehen war die Entlassungs-Pressekonferenz gestern beim Fußball-Drittligisten 1. FC Saarbrücken eine besondere. Da saßen Schatzmeister Dieter Weller, Präsident Paul Borgard, Vize-Präsident Harald Ebertz und eben der zu entlassende Trainer Jürgen Luginger auf dem Podium. "Wir haben uns dazu entschlossen", erklärte Borgard zu Anfang, "Jürgen Luginger freizustellen".

Die sportliche Situation (sieben Spiele/fünf Niederlagen/Abstiegsplatz) habe den Ausschlag für die Entscheidung gegeben, die nach SZ-Infos bereits am späten Mittwochabend feststand. "Fußball ist halt ein knallhartes Ergebnisgeschäft. Da zählen keine Sympathien oder Freundschaften", erklärte Borgard, ehe Ebertz die Beweggründe des Vereins erklärte: "Wir haben die Hoffnung, mit diesem Schritt die negative Gesamtstimmung umzukehren." Dann begann eine Dankes-Arie: "Jürgen Luginger hat hier aber sehr gute und hochprofessionelle Arbeit geleistet", sagte Borgard. Und auch Luginger erklärte, dass "die Zusammenarbeit meist sehr positiv war". Bei den Fans bedankte er sich, auch bei den Journalisten und erklärte, "dass mir der Verein ans Herz gewachsen ist", dass er daran geglaubt habe, "die Wende noch zu schaffen". Damit war auch klar, warum alle auf dem Podium saßen: Sie lobten sich ein letztes Mal. Eine letzte Ehrerbietung sozusagen. Eine Seltenheit im Profi-Fußball.

Verein wie Luginger gehen nun in eine ungewisse Zukunft. Lediglich die nähere ist von Seiten des FCS geklärt: U 23-Trainer Bernd Eichmann leitet das Training und wird morgen beim Auswärtsspiel gegen Jahn Regensburg (14 Uhr) auf der Bank sitzen. Unterstützt wird er vom bisherigen Co-Trainer Andreas Fellhauer. Da Eichmann keine Fußball-Lehrer-Lizenz besitzt, darf er den Posten nur 14 Tage besetzen. Dann muss ein Fußball-Lehrer her. Wer das sein wird, dazu wollten oder konnten die Verantwortlichen gestern nichts sagen. Gespielt werden die üblichen Namen: Tomas Oral, Jens Kiefer, Gino Lettieri, Stefan Emmerling, Gerd Dais, Rainer Scharinger, Heiko Scholz, Milan Sasic, und vor allem Ralf Loose. Sicher ist: Ebertz wird heute mindestens 50 Bewerbungen auf dem Tisch liegen haben - und sie so schnell auch nicht abarbeiten. Schließlich ist die Mannschaft verletzungsgebeutelt, was den Einstand eines neuen Trainers nur unnötig erschweren würde.

Zumal der Vorstand noch andere Baustellen nach der Entlassung zu beackern hat. Seit Juli 2010 war Luginger FCS-Trainer. In den 1162 Tagen arbeitete der 45-Jährige nicht nur als Trainer. Er war Sportdirektor, übernahm Scouting, Spielbeobachtungen und war als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums vorgesehen, dessen Pläne zur Prüfung beim DFB liegen. "Da wird es keine Probleme geben", erklärte Ebertz, der auch sagte, dass sich der Verein damit beschäftige einen Sportdirektor einzustellen. Ob der Luginger heißt? Ganz abgeneigt tat Ebertz nicht, Luginger gab keinen Kommentar dazu ab.

Dass ein Sportdirektor kommen sollte, scheint vonnöten, da der neue Trainer wohl vermehrt sein Augenmerk auf die Mannschaft richten sollte - und nicht auf das Geschäft neben dem Platz. Denn: "Der Trainer ist derjenige, der von der Mannschaft im Stich gelassen wurde", sagte Borgard. Zusammengestellt haben die Mannschaft Luginger und Ebertz: "Und nicht nur wir waren der Meinung, dass sie qualitativ gut ist", sagte Ebertz. "Ich bin auch nach wie vor von der richtigen Auswahl der Spieler überzeugt." Dass da nun die Mannschaft in der Pflicht ist, scheint klar. Oder wie Borgard sagt: "Wir werden keine schmutzige Wäsche waschen, aber nicht jedes Trikot ist ganz sauber." Dass Teile der Mannschaft im Nachtleben über die Stränge schlägt, will Borgard auch nicht mehr dulden: "Gehen Sie davon aus, wenn das so ist, werden wir das abstellen. Der Vorrat an Ausreden wird für die Mannschaft jedenfalls immer geringer."

Letztlich stehen aber "alle in der Verantwortung", sagte Borgard. Der Trainer sei halt das schwächste Glied in der Kette und müsse daher gehen. Ebertz erklärte, dass "es jetzt nicht darum geht, einen Schuldigen zu suchen". Es gehe darum, neue Impulse zu setzen, um schnell ins Tabellenmittelfeld zu kommen.

Kapitän Marc Lerandy kommentierte die Entlassung mit Tränen in den Augen: "In mir herrscht gerade eine absolute Leere. Der anscheinend Verantwortliche", sagte er und betonte das "anscheinend" sehr, "der ist nun weg. Jetzt gilt es für uns, Punkte zu holen".

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