Löw stärkt und schwächt Ballack

Frankfurt. Mitunter wird Joachim Löw vom Spieltrieb befallen. Wenn auf dem Platz ein herrenloser Ball herumliegt, scheint er davon beseelt, seine Künste zu offenbaren. Gleich beim ersten Training der Nationalmannschaft gestern in Frankfurt hat der Bundestrainer wieder seine Ballfertigkeit demonstriert, als der 50-Jährige die Kugel mit der Hacke über den Kopf jonglierte

Frankfurt. Mitunter wird Joachim Löw vom Spieltrieb befallen. Wenn auf dem Platz ein herrenloser Ball herumliegt, scheint er davon beseelt, seine Künste zu offenbaren. Gleich beim ersten Training der Nationalmannschaft gestern in Frankfurt hat der Bundestrainer wieder seine Ballfertigkeit demonstriert, als der 50-Jährige die Kugel mit der Hacke über den Kopf jonglierte. Der modebewusste Fußball-Lehrer versteht es halt, in jeder Lebenslage eine gute Figur abzugeben. Und so verwunderte es nicht, dass Löw die viel diskutierte Kapitänsfrage ebenso mit spielerischer Leichtigkeit klärte, bevor Deutschland morgen gegen Belgien das erste Europameisterschafts-Qualifikationsspiel bestreitet (20.45 Uhr/ARD). Des Bundestrainers wichtigste Botschaft lautete: "Michael Ballack bleibt Kapitän unserer Nationalmannschaft." Doch nur, das ist die entscheidende Einschränkung, wenn der bald 34-jährige Platzhirsch wieder zur alten Klasse findet. Es spricht für Löw, dass er diese Bedingung dem Hauptdarsteller in einem geheimen "Treffen unter vier Augen" zu Wochenanfang mitgeteilt hat. Zwei Stunden habe die "vertrauensvolle Unterredung" gedauert, "ich habe ihm gesagt, was ich sehen will und von ihm erwarte". Nämlich eine klare Leistungssteigerung im Vergleich zu den ersten Pflichtspielen bei Bayer Leverkusen, wo der 98-malige Nationalspieler nach einer Syndesmoseband-Verletzung nur Mitläufer war. Will Ballack für die Qualifikationsspiele gegen die Türkei und Kasachstan (8. und 12. Oktober) in die Nationalelf zurückkehren, muss er mehr zeigen. Das war eine klare Ansage, die Löw gestern tätigte: "Michael ist noch nicht in der Verfassung, dass er der Mannschaft weiterhelfen kann. Durch die Weltmeisterschaft ist eine neue Situation entstanden: Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira sind zunächst mal auf der Sechser-Position gesetzt." Ballack sei eben noch nicht in der Lage, die Nationalelf zu verstärken, könne aber beizeiten diese Rolle einnehmen: "Ich hoffe und glaube, dass Michael wieder in die Verfassung kommt, in der wir ihn alle kennen." Für das Belgien-Spiel ist Philipp Lahm Kapitän, Schweinsteiger Stellvertreter. Die salomonische Lösung hatte Löw zuvor seinen Spielern übermittelt. Ihm sei indes die Kapitänsfrage "zu hoch gehängt" und "zu emotional diskutiert" worden. Überhaupt hält der stets um Ausgleich bemühte Vordenker nichts von "Machtspielchen und -demonstrationen". Löw plädiert für mündige Nationalspieler und im Gleichklang mit Teammanager Oliver Bierhoff für "flache Hierarchien". Die Zeiten eines einzigen Leitwolfes seien beendet - der Satz war schon während Ballacks Abstinenz in Südafrika auffallend oft gefallen. So ist der Mittelfeldstar ohne Stammplatz-Anspruch in jeder Hinsicht in Zugzwang geraten. Löw erklärte auch, warum er für diesen Kompromiss so lange gebraucht habe: "Ich habe für mich nach der WM einen Anker geworfen. Ich wollte in Ruhe nachdenken." Nun ist für Löw auch nicht "alles Ballack", weil die wichtigste Momentaufnahme dieser Woche morgen in Brüssel stattfindet, wo "eine hochmotivierte, fußballerisch gute Mannschaft auf uns wartet". Und schwer werde die Herausforderung deshalb für den WM-Dritten, "weil die meisten unserer Spieler erst seit vier Wochen im Training sind". Dazu machen die Ausfälle von Arne Friedrich und Jerome Boateng eine andere Zusammenstellung der Viererkette erforderlich. Heiko Westermann, Holger Badstuber und Marcell Jansen führte Löw als Ersatz an. Beruhigend, dass der Torwart hinter der neuen Abwehr der alte bleibt: Manuel Neuer ist gesetzt, dahinter sollen René Adler und Tim Wiese eine "gemeinsame Nummer zwei" sein. Wäre neben der K- auch die T-Frage beantwortet.

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