Fußball-Nationalmannschaft Löw bleibt trotz geschwächter Machtbasis

Frankfurt · Der Bundestrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft macht weiter. Kritik von zwei anonymen DFB-Kennern.

 Immer noch alles im Griff? Joachim Löw bleibt jedenfalls auch nach dem fußballerischen Super-GAU mit dem Ausscheiden in der Vorrunde bei der Weltmeisterschaft Bundestrainer.

Immer noch alles im Griff? Joachim Löw bleibt jedenfalls auch nach dem fußballerischen Super-GAU mit dem Ausscheiden in der Vorrunde bei der Weltmeisterschaft Bundestrainer.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Joachim Löw ließ die aufgewühlte Fußball-Nation sechs Tage lang zappeln, dann stieg über der DFB-Zentrale weißer Rauch auf: Der 58-Jährige bleibt trotz des historischen deutschen WM-Desasters Bundestrainer und wird den Umbruch in der Nationalmannschaft mit Blick auf die EM 2020 anleiten. Das teilte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am gestrigen Dienstag mit.

„Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das der DFB weiterhin geschlossen in mich setzt“, wurde Löw in der DFB-Aussendung zitiert. Er spüre „trotz der berechtigten Kritik an unserem Ausscheiden auch generell viel Rückhalt und Zuspruch“, ergänzte Löw, dessen Vertrag bis 2022 läuft. Er hatte das Amt nach dem Sommermärchen 2006 von Jürgen Klinsmann übernommen. Seine Enttäuschung sei nach wie vor riesig, „aber ich möchte nun auch mit ganzem Einsatz den Neuaufbau gestalten“.

Von personellen Konsequenzen in Mannschaft oder Betreuerstab war in der Mitteilung, der ein Treffen von Löw mit der DFB-Spitze um Präsident Reinhard Grindel vorangegangen war, nicht die Rede. Löw und Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff sollen das WM-Desaster laut Grindel in den nächsten Wochen „sportlich aufarbeiten“. Bis zum nächsten Länderspiel am 6. September in München gegen Frankreich soll dem Präsidium „eine umfangreiche Analyse“ vorgestellt werden. Grindel sprach von einem „sehr offenen und vertrauensvollen Austausch, in dem wir viele Punkte angesprochen haben“. Der DFB sei fest überzeugt, „dass wir mit Jogi Löw einen Bundestrainer haben, der die richtigen Schritte einleiten und unsere Mannschaft zurück in die Erfolgsspur führen wird“.

Bierhoff beteuerte, er freue sich, „dass es mit Jogi Löw an der Spitze unserer Nationalmannschaft weitergeht“. Er habe in einem langen Gespräch am Montag bei Löw „die volle Energie gespürt, weiterzumachen“. Auch Manuel Neuer äußerte sich positiv. Er habe „das Vertrauen, dass wir gemeinsam wieder zu unserer Stärke finden“, sagte der Kapitän.

Löw steht nach dem erstmaligen Vorrunden-Aus in der 84-jährigen WM-Geschichte des DFB-Teams allerdings vor einer Herkulesaufgabe: Er muss den Umbruch in der Mannschaft forcieren, zugleich aber aus den beiden Lagern Etablierte und Junge wieder eine Einheit schaffen. Dabei ist der Ergebnisdruck gegen Frankreich in der neu geschaffenen Nations League sofort hoch. Weiterer Gegner sind die Niederlande, der Gruppenletzte steigt ab.

Die Machtbasis von Löw und Bierhoff (Vertrag bis 2024) steht nach dem WM-Desaster auf tönernen Füßen. Vor allem die Sorglosigkeit der sportlichen Leitung habe zur WM-Pleite geführt, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) aus „Spielerkreisen“ und nach Gesprächen mit zwei „erfahrenen Kennern der sportlichen und organisatorischen Verhältnisse in der Nationalmannschaft und beim DFB“. Löw habe demnach den Leistungsgedanken in der Mannschaft ausgehebelt, was zur Spaltung der Mannschaft beigetragen habe. Dass Löw Kapitän Manuel Neuer nach dessen Verletzung einen Sonderstatus einräumte, soll „für einige Spieler“ ein Problem gewesen sein. Überhaupt habe Löw älteren Verdiensten den Vorrang eingeräumt, jüngere Spieler seien für ihren Einsatz im Training nicht honoriert worden.

Weitere Kritikpunkte der namentlich nicht genannten Insider („zwei Maulwürfe“): die Auswahl der Testspielgegner in der Vorbereitung; die Hybris Bierhoffs bei der Quartierwahl („Spielplan von hinten gedacht“); der Besuch der Bundeskanzlerin am Vorabend der endgültigen Kader-Benennung im Trainingslager in Südtirol; der Umgang mit Mesut Özil; und, und, und. Dennoch gab es beim DFB nie Zweifel an der weiteren Zusammenarbeit.

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