Liebe auf den dritten Blick
Salvador da Bahia · Nach dem Ausfall von Franck Ribéry ist Karim Benzema Frankreichs Hoffnungsträger. Noch vor einem Jahr als Chancentod verspottet, soll der Stürmer die Nationalmannschaft heute ins Achtelfinale führen.
Als Zinedine Zidane Frankreich zum Fußball-Weltmeister machte, litt Karim Benzema im Ronaldo-Trikot mit Finalgegner Brasilien. 16 Jahre später trägt der Torjäger von Real Madrid nach dem Ausfall von Bayern Münchens Franck Ribéry selbst die WM-Hoffnungen der Franzosen. "Ich fühle mich gut, bin von Verletzungen verschont und kann alles auf dem Platz geben", sagt der 26-Jährige vor dem Gruppenspiel heute (21 Uhr/ARD ) gegen die Schweiz.
Das war nicht immer so: Eigentlich ist die Liaison zwischen dem Mittelstürmer mit den algerischen Wurzeln und den "Blauen" eine Liebe auf den dritten Blick. Als Zehnjähriger schwärmte Benzema für Brasiliens Star Ronaldo, Zidane und Co. interessierten ihn wenig: "Es war Ronaldo, der mich zum Träumen gebracht hat."
Dann spielte der U 17-Europameister von 2004 selbst für Frankreich, doch den Erwartungen der Fans wurde er jahrelang nicht gerecht. Bei den EM-Turnieren 2008 und 2012 enttäuschte Benzema, blieb ohne Treffer, wurde zum Chancentod. Vor vier Jahren bei der WM in Südafrika war er sogar nur Zuschauer. Während Benzema bei Real Madrid immer mehr aus dem Schatten von Weltfußballer Cristiano Ronaldo heraustrat und zum Torgaranten avancierte, durchlebte er 2012/2013 in der Nationalmannschaft eine lange Durststrecke: 1222 Minuten lang erzielte er kein Tor.
Nach seinen zwei Toren beim 3:0-Auftaktsieg gegen Honduras, den ersten bei einem großen Turnier, wirkt der Stürmer wie befreit. "Ich war in einer schwierigen Phase", gibt Benzema zu: "Ich habe mich nicht verändert, ich habe mich weiterentwickelt." Dabei hatte er nach dem Champions-League-Sieg mit Madrid befürchten müssen, in Brasilien nur Ersatz zu sein. Wegen der Finalteilnahme mit Real fehlte er beim ersten Teil der WM-Vorbereitung, Sturmkonkurrent Olivier Giroud sammelte fleißig Pluspunkte. Doch mit zwei Toren und drei Vorlagen beim 8:0 im letzten WM-Test gegen Jamaika spielte Benzema sich noch in die erste Elf. Nach zuletzt acht Toren in sieben Länderspielen ist er plötzlich der Hoffnungsträger, der mit Treffern gegen die Schweiz den Achtelfinal-Einzug perfekt machen soll.
Doch mit der neuen Rolle hat sich der einst Geschmähte, der zusammen mit Ribéry nach einer Sexaffäre mit einer minderjährigen Prostituierten 2009 erst Anfang des Jahres freigesprochen worden war, noch nicht angefreundet. Der Star sei nicht er, "sondern die Mannschaft".
Für die Schweizer sind Spieler wie Benzema der Grund, warum sie Außenseiter sind - obwohl sie nach dem 2:1 gegen Ecuador ebenso drei Punkte auf dem Konto haben und als Sechster in der Weltrangliste elf Plätze vor den "Blauen" liegen. "Die Franzosen sind Favorit, weil ihre Spieler in den größten Clubs spielen", sagt Verteidiger Johan Djourou vom Bundesligisten Hamburger SV . Er bekommt es heute mit Benzema zu tun - einst Versager, heute Hoffnungsträger.