"Leute, es ist einfach wunderbar"

New York. Genau eine halbe Stunde vor Mitternacht war es im riesigen Arthur-Ashe-Stadion, als Richard Williams zitternd seine Kamera zur Seite legte und plötzlich nur noch gebannt auf das Spielfeld starrte

New York. Genau eine halbe Stunde vor Mitternacht war es im riesigen Arthur-Ashe-Stadion, als Richard Williams zitternd seine Kamera zur Seite legte und plötzlich nur noch gebannt auf das Spielfeld starrte. Und so entgingen dem berühmtesten Tennisvater der Welt und passionierten Hobbyknipser ein paar Sekunden später, nach dem besiegelten US Open-Endspieltriumph seiner Tochter Serena gegen die Serbin Jelena Jankovic (7:5, 6:4), ein paar der spektakulärsten, aufwühlendsten und emotionalsten Fotos in all den verrückten Williams-Jahren im Wanderzirkus. "Die Freude war überirdisch. Es war ein Gefühl, als ob du über der Erde schwebst", sagte - völlig zutreffend - die jüngere der beiden Williams-Schwestern, die auf dem harten Betonboden der größten Tennisarena der Welt wie eine Trampolinturnerin umherhüpfte - irgendwie hoch und höher, als wolle sie auch in ihrer Ausgelassenheit an diesem späten, schönen New Yorker Sonntagabend alle Grenzen sprengen.

Beendet war jedenfalls um 23.31 Uhr am 7. September 2008 ein turbulenter, ungewisser und langer Marsch zurück an die Weltspitze - auf Platz 1: "Leute, es ist einfach wunderbar. Das ist der Lohn für die harte Arbeit", stammelte die freudetrunkene Gewinnerin. Neun Jahre nach ihrem Major-Debütsieg gegen Martina Hingis im "Big Apple" und sechs Jahre nach ihrem vorerst letzten New Yorker Titelerfolg sind Genugtuung und Stolz bei der bulligen Fighterin größer als jemals zuvor: "Ich bin abgeschrieben worden, galt als erledigt. Da sind solche Siege natürlich viel süßer", sagte die 26-Jährige, die zuletzt am 10. August 2003 die Tennis-Hitparade angeführt hatte.

Gepeinigt von Verletzungen, abgelenkt aber auch von Ausflügen ins Modebusiness und in die Filmindustrie, hatte Serenas Karriere im Jahr 2006 mit dem Sturz auf Platz 139 der Weltrangliste einen vernichtenden Tiefpunkt erreicht. "Die Motivation war vorher gleich Null gewesen. Aber ganz unten habe ich mir dann gedacht: So kannst du nicht abtreten und aufhören im Tennis", sagte Williams, die mit ihrem Sieg ein filmreifes Comeback wie einst Landsmann Andre Agassi hinlegte. Der war Ende des letzten Jahrzehnts nach einer Sinnkrise und dem Absturz ins Mittelmaß (Platz 141 der Rangliste) wieder an die Spitze gestürmt.

2006 hatte Tennislegende Chris Evert in einem Offenen Brief die jüngere Williams-Schwester sogar noch aufgefordert, "endlich aufzuhören, ihr einmaliges Talent zu verschleudern: Wenn Du willst, kannst Du jederzeit die beste Spielerin der Welt sein." Welche Leidenschaft und welche Power noch immer in ihr stecken, der härtesten Tennispuncherin überhaupt, das zeigte dann schon der fabelhafte Siegeslauf bei den Australian Open 2007: Damals nahm der Tourbetrieb erstmals wieder Kenntnis von seiner ehemaligen Frontfrau, die als Nummer 85 der Weltrangliste zum Titelgewinn gegen Maria Scharapowa eilte. "Das war der Durchbruch. Das Turnier, das mich als Tennisspielerin am Leben erhalten hat", sagte Serena. Sie stabilisierte sich wieder unter den Top Ten, schaffte 2008 den Einzug ins Wimbledon-Finale, doch dort regierte unbarmherzig die geliebte Schwester und Siegerin Venus. In New York folgte nun die familieninterne Revanche, der Turniersieg und der Satz auf Platz 1.

Die Nummer 1 der Herren wurde dagegen in der Nacht von Sonntag auf Montag in ihrem Höhenflug vorerst gestoppt. Der Spanier Rafael Nadal unterlag in der Fortsetzung des wegen Regens abgebrochenen Halbfinales dem Schotten Andy Murray mit 2:6, 6:7 (5:7), 6:4, 4:6. Murray stand letzte Nacht in seinem ersten Grand-Slam-Finale dem Schweizer Roger Federer gegenüber.

"Die Freude war überirdisch. Es war ein Gefühl, als ob du über der Erde schwebst."

US-Open-Siegerin Serena Williams

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