Handball Kunkel ist wieder Teil der Bad Boys

Magdeburg · Völklinger Handballer tritt mit der deutschen Handball-Nationalmannschaft gegen Spanien an. Da muss der 50. Geburtstag der Mutter ohne ihn steigen.

 Der Völklinger Yves Kunkel debütierte 2015 im Handball-Nationalteam. In der Bundesliga spielt er für DHfK Leipzig.

Der Völklinger Yves Kunkel debütierte 2015 im Handball-Nationalteam. In der Bundesliga spielt er für DHfK Leipzig.

Foto: Sascha Klahn/DHB

Yves Kunkel kann sich noch genau an den Moment erinnern. Es war der 9. Oktober, am Vormittag. Er sitzt in einer Vorlesung, als das Handy klingelt. Am anderen Ende der Leitung: Christian Prokop. Der hätte sein Trainer beim Handball-Bundesligisten SC DHfK Leipzig werden sollen. Doch noch bevor Kunkel im Sommer von HBW Balingen-Weilstetten zum aufstrebenden Ost-Club wechselt, wird Prokop zum Bundestrainer berufen.

„Ich war überrascht und hatte keine Ahnung, was der jetzt von mir möchte. Ich hab ihm eine WhatsApp geschrieben, dass ich 15 Minuten später zurückrufe“, sagt der 23-Jährige aus Völklingen. Das tut er, die beiden halten ein wenig Smalltalk, erzählen, wie es ihnen so geht, bis Prokop das Gespräch beendet mit den Sätzen: „Ich wollte dir persönlich mitteilen, dass du aufgrund deiner Leistungen beim nächsten Lehrgang dabei bist. Morgen geht dazu auch eine Pressemitteilung raus.“

Yves Kunkel ist zurück in der A-Nationalmannschaft. 27 Monate nach seinem Debüt in Kiel. „Boah, geil“, ist seine erste Reaktion. Er ruft Freundin Lina an, mit der er in Leipzig zusammengezogen ist. Dann seine Eltern Birgit und Uwe im Saarland. Alle sind stolz und freuen sich riesig. Und gerade sein Vater, der Chef der HSG Völklingen, langjähriger Wegbegleiter und Trainer, weiß: „Junge, du bist auf dem richtigen Weg.“

Am morgigen Samstag (14.15 Uhr/ZDF) und Sonntag (14.30 Uhr/ARD) wird Kunkel im Trikot der deutschen Nationalmannschaft in den Partien gegen Spanien seine Länderspiele zwei und drei bestreiten. Und es fühlt sich „ganz anders“ an als am 14. Juni 2015. Damals war die EM-Qualifikation in der Tasche, für das abschließende, sportlich bedeutungslose Spiel gegen Österreich schickte Dagur Sigurdsson eine Reihe von Spielern vorzeitig nach Hause, auch Kapitän Uwe Gensheimer. Kunkel wurde nachnominiert, durfte 20 Minuten ran, erzielte ein Tor. „Ich war ziemlich nervös“, sagt der Saarländer heute: „Dass es um nichts mehr ging, hat mich nicht gestört. Es hat Spaß gemacht.“

Doch so schnell, wie er drin war, war er auch wieder raus aus dem Team. Die Konkurrenzsituation auf Linksaußen ist gewaltig. An Gensheimer, dem vielleicht besten auf dieser Position weltweit, ist kein Vorbeikommen. Und um den Platz dahinter streiten sich gleich drei, vier Topspieler – auch Kunkel. Doch Sigurdsson setzt auf andere. Der EM-Titel 2016 in Polen und Olympia in Rio gehen ohne Kunkel über die Bühne. Vielleicht auch, weil er stets bei Vereinen spielt, die ums sportliche Überleben kämpfen. Nach seinem Wechsel von der HSG Völklingen über die HG Saarlouis in die Bundesliga steigt er erst mit GWD Minden ab, dann mit Balingen.

Jetzt, in seinem fünften Jahr, hat er ein Team gefunden, das sich nach vorne entwickeln kann. So wie er es tut. Längst ist Kunkel der torgefährlichste deutsche Linksaußen der Liga (aktuell 48 Treffer in elf Spielen). Und in Leipzig fühlt er sich pudelwohl. Seine ersten Eindrücke nach knapp vier Monaten seien „durchweg positiv“. „Ich habe viele Spielanteile, es läuft richtig gut“, sagt er – und denkt trotzdem nicht im Traum daran, dass sein großes Ziel so schnell erreichbar sein würde.

Aber, und das wird im Gespräch mit der SZ sehr schnell klar: Kunkel hat Blut geleckt. Seit Montag trainiert er mit Prokop und den Spielern. Wie Gensheimer (Paris St. Germain), Silvio Heinevetter (Füchse Berlin) oder Steffen Weinhold (THW Kiel). „Es macht unglaublich viel Spaß. Die Qualität ist nochmal ganz anders als in Leipzig. Und wenn man einmal dabei ist, will man es immer sein.“ Gegen Spanien will Kunkel „seine Leistung zeigen“. Es seien zwei Testspiele, er gehe davon aus, dass er sich auch entsprechend präsentieren dürfe, sagt Kunkel, der sein persönliches Ziel klar definiert hat: „Die EM im Januar in Kroatien habe ich fest im Blick.“

Das muss er auch, denn seiner Mutter Birgit hat er ein Versprechen gegeben. „Sie wird am Samstag 50 und hat eine große Feier geplant mit bestimmt 60, 70 Gästen“, sagt Kunkel: „Sie hat überlegt, alles zu verschieben, um in Magdeburg und Berlin dabei zu sein, aber das war mir auch nicht recht.“ Und so verspricht Yves: Es werden noch ganz viele Länderspiele dazukommen. „Außerdem ist mein Vater ja ziemlich handballverrückt“, sagt Kunkel und lacht: „Der wird schon irgendwo einen Fernseher auftreiben und aufstellen.“ Sie werden ihren Sohn aus der Ferne beobachten – wie viele andere Handball-Fans im Saarland auch. Und Kunkel, der erste saarländische A-Nationalspieler seit Jürgen Hartz 1994, wird das Wochenende in Erinnerung behalten. Wie den Anruf von Christian Prokop am 9. Oktober.

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