Formel 1 Kubicas Rückkehr ist ein riskantes Märchen

Melbourne · Nach mehr als acht Jahren wird der Pole in der Formel 1 wieder einen Grand Prix fahren.

 Der rechte Arm ist gekennzeichnet von seinem schweren Unfall 2011, aber Robert Kubica fühlt sich bereit für die Rückkehr in die Formel 1.

Der rechte Arm ist gekennzeichnet von seinem schweren Unfall 2011, aber Robert Kubica fühlt sich bereit für die Rückkehr in die Formel 1.

Foto: dpa/Kamran Jebreili

Ganz behutsam nimmt Robert Kubica die blinde Julia bei der Hand. Nur ein paar Tage ist die erstaunliche Rückkehr des polnischen Rennfahrers beim Formel-1-Saisonstart noch entfernt, doch dieser Moment zwischen den Testrunden ist dem 34-Jährigen wichtig. An zwei Dingen werde ihn das schüchterne Mädchen immer erkennen, sagt Kubica und lässt sich vom jungen Fan betasten. „Ich habe eine große Nase“, sagt Kubica lachend. Und seine rechte Hand, die er ihr reicht, „die ist leider ein bisschen anders nach dem Unfall“.

Um eben diesen rechten Arm rankt sich die emotionale Geschichte des Williams-Piloten, der am kommenden Sonntag in Melbourne (6.10 Uhr/RTL und Sky) zum ersten Mal nach mehr als acht Jahren wieder einen Grand Prix fahren wird. Lange schien eine Rückkehr des schlaksigen Mannes aus Krakau in die Formel 1 wegen seiner Behinderung unwahrscheinlich. Zweifel werden Kubica auch in den kommenden Monaten begleiten.

„Wir brauchen jetzt seinen Kampfgeist“, sagte Vize-Teamchefin Claire Williams, als sie im vergangenen Herbst die Beförderung des Routiniers zum Stammpiloten verkündete. Sein enormer Wille hat Kubica nach jenem schrecklichen Unfall vom 6. Februar 2011 zurück in die Königsklasse gebracht.

Damals galt der Pole als kommender Weltmeister. Im BMW-Sauber hatte er 2008 in Montréal für den einzigen Formel-1-Rennsieg des Teams gesorgt, später im Renault ebenfalls überzeugt. Für 2012 hatte er dem Vernehmen nach schon eine Abmachung mit Ferrari. Dann verunglückte er schwer bei einem Rallye-Gaststart in Italien. Eine Leitplanke bohrte sich in sein Auto, in Notoperationen konnte sein rechter Arm noch gerettet werden. Bis heute ist er aber von Narben gezeichnet. Kubica hat dort wohl bestenfalls noch die Hälfte der Kraft von früher.

Doch der Motorsport lässt ihn nicht los. Bald fährt er wieder im Rallye-Auto und zeigt, welch außergewöhnliches Talent er hat. 2017 dann darf er ein Formel-1-Auto von Lotus testen, seine Leistung überzeugt. Williams holt ihn für die folgende Saison als Testfahrer und macht ihn nun wieder zur Stammkraft. „Er ist einer der talentiertesten Fahrer, gegen die ich je angetreten bin. Es ist toll für den Sport, dass er zurück ist“, sagt Weltmeister Lewis Hamilton.

Es gibt aber auch andere Stimmen. Der Deutsche Nico Hülkenberg ist skeptisch, dass Kubica trotz seiner körperlichen Einschränkungen sportlich mithalten kann. Andere verweisen auf die Risiken, falls Kubica im Notfall schnell reagieren muss – und dies mit rechts nicht kann. Dafür allerdings gibt es Tests des Weltverbands, die Kubica bestanden haben muss – sonst hätte er die Rennlizenz nicht erhalten.

Sein Auto wurde für ihn speziell angepasst, die Schaltung ist links. Zudem hilft Kubica sein kraftschonender Fahrstil. Bei den Tests in Barcelona im Februar allerdings irritierte er auch mit einigen gefährlichen Aktionen. Ihm mangelt es an Praxis. „Du kannst im Fitnessstudio so viel trainieren, wie du willst, aber das echte Fahren im Formel-1-Auto ist etwas ganz anderes. Der Körper stellt sich auf die Kräfte ein, deine Reaktionen auch“, erklärt Kubica.

Erschwert wird ihm die Rückkehr auch durch den desolaten Zustand des Williams-Teams. 114 Grand Prix gewann der Rennstall in seiner Historie, sieben Mal stellte das Team den Weltmeister. Doch der Lack ist schon länger ab. Bereits im Vorjahr war Williams chancenlos. Diesmal wurde das Auto nicht rechtzeitig zum Beginn der Testfahrten fertig. Kubica konnte nicht einmal halb so viele Runden fahren wie Mercedes-Star Hamilton und war der Langsamste im Feld.

 Der folgenschwere Unfall im Februar 2011:Der zerstörte Skoda-Rennwagen des Polen Robert Kubica hängt in der Leitplanke.

Der folgenschwere Unfall im Februar 2011:Der zerstörte Skoda-Rennwagen des Polen Robert Kubica hängt in der Leitplanke.

Foto: dpa/Gianni Chiaramonti

Am Ende fehlten auch noch die Ersatzteile. Zudem waren einige Elemente des Autos nicht regelkonform, nun muss eilig umgebaut werden. Technik-Direktor Paddy Lowe wurde wenige Tage vor der Reise nach Australien beurlaubt. Kubica ahnt bereits, dass die märchenhafte Story seiner Rückkehr bald im Alltagsfrust verblassen könnte. „Es gibt so viele Fragezeichen“, sagt Kubica: „Ich weiß vielleicht 20 Prozent der Dinge, die ich vor Australien wissen sollte.“

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