Kramer gewinnt den Debütanten-Ball

Hamburg · Ein Spieler ist ganz gestrichen, drei dürfen nicht mit ins Trainingslager. Nach dem relativ wertlosen Test am Dienstagabend gegen Polen hat Joachim Löw Entscheidungen im Hinblick auf die WM getroffen.

Joachim Löw ist immer für eine Überraschung gut. Nach dem ebenso geschichtsträchtigen wie langweiligen 0:0 gegen Polen hatte der Bundestrainer eine niederschmetternde Nachricht für André Hahn. Christoph Kramer wurde dagegen unverhofft zum Gewinner des Debütanten-Balls. Der Mönchengladbacher Kramer schlüpfte dank einer aggressiven Vorstellung noch in das 30-köpfige WM-Aufgebot, das Löw der Fifa meldete. Kramer (23) darf als einer von 27 Spielern auch direkt mit ins Trainingslager nach Südtirol (21. bis 31. Mai). Dort will Löw, dass es "auf einigen Positionen einen Konkurrenzkampf gibt. Ich will sehen, dass die Spieler um ihr WM-Ticket kämpfen." Beendet ist der Traum für Hahn, der nach seinem Nationalelf-Debüt "positionsbedingt" durchs Sieb fiel. Für ihn ist nach der Streichung aus dem 30er Aufgebot auch die WM-Chance vorbei.

Nicht mit nach Südtirol reisen dürfen der Schalker Max Meyer (18) trotz einer spielfreudigen Vorstellung gegen Polen, der am Dienstag enttäuschende Leon Goretzka (19/Schalke) sowie der Hamburger Marcell Jansen. Sie alle stehen auf Abruf, ihre WM-Chancen sind aber minimal, weil Löw selbst von den 27 Südtirol-Spielern noch vier streichen muss.

Jansens Streichung hat die WM-Chancen des Dortmunder Linksverteidigers Erik Durm noch einmal erheblich gesteigert. Er ist nun der einzige Spieler ohne Länderspiel im Trainingslager-Aufgebot, von den Polen-Debütanten sind neben Kramer noch Kevin Volland (21/Hoffenheim) und Shkodran Mustafi (22/Genua) dabei.

Der komplette Verzicht auf Hahn (23) habe nichts mit dessen Leistung zu tun, versicherte der Bundestrainer: "Wir waren sehr zufrieden mit ihm. Die Gründe sind rein positionsbezogen." Kramer dagegen habe "in Training und Spiel einen hervorragenden Eindruck hinterlassen". Der Gladbacher ist eine zusätzliche Absicherung im defensiven Mittelfeld, wo Ilkay Gündogan ausfällt, Sami Khedira gerade seine Rückkehr gegeben hat, Bastian Schweinsteiger verletzt ist und Rechtsverteidiger Philipp Lahm nur im Notfall spielen soll.

An das Polen-Spiel dachte gestern derweil kaum jemand mehr. Löw hatte die jüngste Startelf der 106-jährigen DFB-Geschichte aufgeboten (21,45 Jahre), Julian Draxler war der jüngste Kapitän überhaupt (20 Jahre, 235 Tage), Max Meyer (18 Jahre, 237 Tage) der drittjüngste Spieler seit dem 2. Weltkrieg nach Uwe Seeler und Mario Götze. Löw brach sogar einen Rekord, der für die Ewigkeit schien: Mit zwölf Debütanten überbot er die elf, die es im allerersten Länderspiel 1908 gegeben hatte - Auswechseln war damals noch nicht erlaubt.

Der Bundestrainer hatte denn auch "viel Spaß" an dem Spiel, einige der Hamburger Zuschauer pfiffen dagegen. Für die meisten Zuschauer war das Spiel eine Mogelpackung. Sie hatten den normalen Preis bezahlt und sich auf eine Elf mit einigen Stars gefreut. Sie bekamen stattdessen eine mit einem Kapitän, der nicht einmal das WM-Ticket sicher hat.

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Auf Einen BlickDas deutsche Aufgebot für das WM-Trainingslager in Südtirol: Tor (3): Manuel Neuer, Roman Weidenfeller, Ron-Robert Zieler. Abwehr (10): Jérôme Boateng, Philipp Lahm, Erik Durm, Kevin Großkreutz, Mats Hummels, Marcel Schmelzer, Matthias Ginter, Benedikt Höwedes, Per Mertesacker, Shkodran Mustafi. Mittelfeld (12): Lars Bender, Julian Draxler, Mario Götze, Toni Kroos, Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira, Christoph Kramer, Mesut Özil, Lukas Podolski, Marco Reus, André Schürrle. Angriff (2): Miroslav Klose, Kevin Volland. Zur WM vom 12. Juni bis 13. Juli wird Löw mit 23 Spielern reisen. dpa

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